Felix Zimmermann ist Vorstandsmitglied des neuen Vereins Freischreiber, dem es darum geht, die Arbeitssituation freier Journalisten zu verbessern (Disclosure: ich war beim Gründungskongress dabei und werde dem Verein auch beitreten, sobald das möglich ist). Nun hat Zimmermann im Freischreiber-Forum darüber berichtet, wie auf Petra Reski und Jens Weinreich Druck ausgeübt wird. Es geht ihm darum deutlich zu machen, dass freie Journalisten eine besondere Solidarität brauchen, da sie „ungeschützt“ arbeiten. Das sehe ich genauso, aber die Fälle sind natürlich auch für alle anderen Journalisten / Rechercheure interessant. Daher veröffentlichen wir hier Zimmermanns Text als Gastbeitrag.
Zwei Fälle, auf die Freischreiber aufmerksam machen will
Zu den Zielen dieses neuen Verbandes gehört auch, jedem einzelnen freien Journalisten den Rücken zu stärken. Deshalb wollen wir an dieser Stelle auf die Situation zweier Kollegen aufmerksam machen, die durch ihre Arbeit in Schwierigkeiten geraten sind. Zum einen geht es um Petra Reski, freie Journalistin in Venedig und Mitglied im „Autoren-Reporter“-Netzwerk: Anfang September ist ihr Buch Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern (Verlag Droemer) erschienen. Sie berichtet darin auch über die Verstrickung der Mafia in Deutschland – die ihrer Schilderung nach viel enger geknüpft ist, als sich das die Öffentlichkeit hierzulande vorzustellen vermag.
Petra Reski und die Mafia
Dem deutschen Gastwirt Rolf Milser aus Duisburg und seinem aus dem kalabrischen San Luca stammenden Geschäftspartner Antonio Pelle missfällt es, was Reski über die Präsenz der kalabrischen ’Ndrangheta in Deutschland schreibt.  Deshalb haben sie am 5. November vor dem Landgericht Duisburg eine einstweilige Verfügung gegen das Buch beantragt. Wolfgang Michal, Mitglied des Freischreiber-Vorstands und wie Reski des „Autoren-Reporter“-Netzwerks, hat darüber im „Autoren-Reporter“-Blog berichtet.
Kürzlich war Petra Reski mit ihrem Buch auf Lesereise in Deutschland und Österreich unterwegs. Am 14. November drückte ihr unmittelbar vor der Lesung in einer Buchhandlung in Erfurt eine Gerichtsvollzieherin eine weitere einstweilige Verfügung in die Hand.
Nach einem Beschluss des Landgerichts München müssen Passagen des Buches geschwärzt werden. Der italienische Gastronom Spartaco Pitanti, der unter anderem in Erfurt mehrere Jahre ein Restaurant betrieb, fühlt sich zu Unrecht in die Nähe der Mafia gerückt. Während der Lesung wurde Reski nicht nur als Mafiosa beschimpft, sondern musste auch ein vergiftetes Kompliment entgegennehmen: Ein Zuhörer wiederholte mehrfach: „Ich bewundere Ihren Mut – aber warum vergreifen Sie sich an ehrbaren Gastronomen wie Antonio Pelle und Spartaco Pitanti“ – was die Autorin als eindeutige Drohung empfand.
Die Einschüchterungsversuche, die Beschimpfungen, die einstweiligen? Verfügungen gegen ihr Buch – das alles sorgt Petra Reski sehr. Sie sorgt sich, weil die Mafia Deutschland als Rückzugsraum betrachtet, in dem sie ungestört operieren kann. Die Mafia gilt hier als süditalienische Folklore. Ein Eindruck, den ihre Protagonisten gerne aufrecht erhalten wollen. Sie wollen verhindern, dass zu viel über die Verstrickungen der Mafia in Deutschland bekannt wird.
In Italien dagegen hat niemand etwas dagegen unternommen, als renommierte Zeitungen über Pelle und Pitanti schrieben. Petra Reskis Lesereise ging am 21. November in Wien unter Polizeischutz zu Ende, sie ist jetzt wieder zu Hause in Venedig. Sie sagt, in der derzeitigen Lage schütze sie jede Art von Öffentlichkeit. Deshalb haben wir uns nach Rücksprache mit ihr entschlossen, auf ihren Fall hinzuweisen.
Jens Weinreich und der DFB
Außerdem geht es um den freien Sportjournalisten Jens Weinreich, der mit einem anderem mächtigen Gegner kämpfen muss: dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Der Fall ist in Stefan Niggemeiers Blog und im Direkten Freistoß ausführlich dokumentiert, Jens Weinreich schreibt auch selbst dazu. Man braucht an der einen oder anderen Stelle viel Geduld, wenn man diesen Streit von Anfang bis Ende verfolgen will, in dem sich der DFB gegenüber Weinreich in ein Gestrüpp aus Diffamierungen, Widersprüchen und womöglich Lügen verirrte.
Weinreich, mit dem Wächterpreis ausgezeichnet und lange Jahre Sportressort-Leiter der Berliner Zeitung, ist ein Experte, wenn es um sportpolitische Themen (DFB, Olympia etc.) geht. Vieles, was er schreibt, gefällt dem DFB nicht. Aber was der DFB – und insbesondere dessen Präsident Theo Zwanziger – gegen ihn unternimmt, könnte Weinreich in seiner beruflichen Existenz auf Dauer beschädigen. Deshalb verdient auch dieser Fall unsere Aufmerksamkeit.
Wir als freie Journalisten sollten uns für diese Fälle interessieren, denn es geht um zwei unserer Kollegen, die engagiert ihrer Arbeit nachgehen und deshalb Probleme bekommen. Da ist Solidarität gefragt. Zum Schutz für uns alle, die wir diesen Beruf als Freie ausüben.

Felix Zimmermann

12 Comments

  1. „Die Sache mit der freien Meinungsäußerung ist schon so ein Thema. Selbst wenn dieser Artikel nun schon einige zeit auf dem Buckel hat, so ist die Thematik nach wie vor aktuell. Es ist eigentlich ein Trauerspiel das Hintergründe, nur weil sie vielleicht ein anderes Licht auf eine Person oder eine Sache werfen, nicht gewünscht sind. Menschen die solche Hintergünde ans Licht bringen werden von vielen als unbequeme Zeitgenossen angesehen und das ist nicht nur im Bereich des Journalismus so. Ist die Frage nach dem wohin diese Entwicklung führen soll, tatsächlich so unberechtigt?

  2. Sehr geehrter Herr van Velten,
    Betroffenheit? Natürlich! Über die Morde von Duisburg muss wohl jeder normalempfindende Mensch allemal betroffen sein! Und da ist auch kein Ausrufezeichen zu groß, zu kursiv oder zu fett gedruckt, um dieser Betroffenheit Ausdruck zu verleihen. In diesem Punkt stimme ich Ihnen vollkommen zu!
    Leider setzt die Userin ISA die Ausrufezeichen allerdings in einen anderen Kontext (Zitat: Wenn jemand der ´Ndrangheta sehr Nahe steht, dann Herr PELLE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!) – diese Kernaussage ist wohl eine andere.
    Vor diesem Hintergrund erscheinen mir die Ausrufezeichen doch eher ein Mittel zur Unterstreichung einer These zu sein, deren Beweis nicht erbracht werden konnte (weder durch die – zumindest bei dieser Straftat – wie ich vermute sorgfältigst ermittelnden Behörden, noch durch LKA Beamte in 1997/98; erst recht nicht durch die Userin ISA.
    Pauschalierungen werden im Regelfall durch Vorurteile bedient (gebürtiger Kalabrese + San Luca + dem dortigen „Allerweltsnamen“ Pelle + offensichtlich erfolgreicher Geschäftsmann = Mafia), die nur einfachere Gemüter bedienen. Wir Deutschen scheinen ja offensichtlich empfänglich dafür zu sein und können es offensichtlich nur schwerlich verkraften, dass der „italienische Gast“ seinen ihm angestammten Platz hinter dem Pizzaofen verlässt, um zum Geschäftsmann zu „mutieren“. Und wenn es einem denn wirklich gelingen sollte, dann kann so etwas grundsätzlich nicht mit rechten Dingen zugegangen sein.
    Betroffen hat mich nicht die Frage gemacht, ob ich hier etwas aus pekunären Erwägungen schriebe, sondern vielmehr die Leichtigkeit, mit der so etwas grundsätzlich vorausgesetzt wird.
    Wäre es nicht viel naheliegender, dass ein Leser einfach „pro bono“ (vulgo: umsonst) seinen subjektiven Eindruck zu Papier bringt – denn ich bin kein PR-Berater!
    Am meisten allerdings stört mich die Erkenntnis, dass Menschen immer noch – trotz angeblicher Aufgeklärtheit und Vorurteilsfreiheit – einfachsten Manipulationsmechanismen auf den Leim gehen.
    Deshalb halte ich das Buch von Frau Reski für nicht lesenswert, weil ich es als sehr manipulativ und wenig informativ bewerte. John Dickie oder Roberto Saviano nennen Namen, Daten und Fakten, belassen es nicht beim Konjunktiv oder einer Andeutung, operieren nicht mit „Namensgleichheiten“ und versuchen so Zweifel zu säen.
    Deshalb vermutlich benötigt Saviano zwischenzeitlich massiven Polizeischutz, während ich mich des Eindruckes im Fall Reski nicht erwehren kann, dass es sich dort um eine PR-Aktion handelt. aber das mag bitte jeder Leser für sich selbst beurteilen!

  3. @Elmar Stefan Wenn bereits ein unsubstantiierter 3-Zeiler Ihr redaktionelles Interesse weckt, dann bin ich auf weitere Veröffentlichungen bereits höchst gespannt!
    nein, nein, es war nicht der dreizeiler der mein interesse weckte, sondern die 26 ausrufezeichen, die mir doch schon betroffenheit signalisierten.
    @Elmar Stefan Niemand hat mich bezahlt! Es war mir lediglich ein Bedürfnis, Schwarz-Weiß-Phantasien entgegenzutreten.
    desweiteren bin ich doch etwas irritiert ob ihrer betroffenheit. die frage „wer hat sie bezahlt“ ist meiner meinung nach völlig legitim. also ich arbeite für geld und sie sicher auch. ihre beiden amazon-rezensionen ließen mich einfach vermuten, dass sie in der pr-branche arbeiten. schließlich befassen sich ihre beiden rezensionen bei amazon mit genau zwei büchern: nämlich des der petra reski und dem des antonio pelle. und wie sie beide büchern beurteilten, ließ mich genau das in meiner mail geschiebene vermuten. ich sehe da weder beschimpfungen noch beleidigungen. oder sind pr-leute beschimpfer und beleidiger? ich meine, die machen einfach ihren job.
    ich bin gerade dabei, ebenfalls eine rezension über das pelle-buch zu schreiben: kurz gesagt halte ich diese biografie für durch-und-durch verlogen. ob der herr pelle sich damit einen dienst erwiesen hat, bezweifele ich.

  4. Hallo zusammen,
    ungeachtet des Wahrheitsgehalts der Aussagen über Reskis Buch möchte ich Herrn Stefan zustimmen und alle bitten, auf persönliche Anschuldigungen und Beleidigungen zu verzichten. Sie sind in der Auseinandersetzung nicht hilfreich. Wenn es inhaltliche Argumente gibt, immer her damit.
    Gruß,
    Matthias Spielkamp

  5. Verehrte Isa,
    um direkt Ihre Frage zu beantworten: Niemand hat mich bezahlt! Es war mir lediglich ein Bedürfnis, Schwarz-Weiß-Phantasien entgegenzutreten.
    Im übrigen gehe ich möglicherweise nicht so inflationär wie Sie mit den Begriffen „erwiesen“ und „korrekt“ um.
    Für mich persönlich ist dann etwas z. B. grundsätzlich bewiesen, wenn ein ordentliches Gericht – nach einem vorangegangenen Ermittlungsverfahren – zweifelsfrei die Schuld eines Betroffenen festgestellt hat!
    Wenn ein Ermittlungsverfahren nicht in einem Gerichtsverfahren mündet, kann das – nach gängigem Rechtsverständnis – nur bedeuten, dass sich Verdachtsmomente nicht erhärtet haben bzw. die Unschuld erwiesen wurde.
    Das mag für Sie „gequirllte Kacke“ sein (um einmal Ihren Diktus zu benutzen) – für andere Bundesbürger ist das die Basis der freiheitlich demokratischen Grundordnung bzw. der Gewaltenteilung in unserem Rechtsstaat!
    Aber Sie werden ja für Ihre Behauptung, Herr Pelle stünde der Ndrangheta nahe und die gegen ihn geführten Anschuldigungen seien korrekt, sicherlich stichhaltige Beweise haben. Vielleicht lassen Sie die Leser dieses Forums ja daran teilhaben!
    @ Herrn Rand van Velten
    Wenn bereits ein unsubstantiierter 3-Zeiler Ihr redaktionelles Interesse weckt, dann bin ich auf weitere Veröffentlichungen bereits höchst gespannt! (Dieser Hinweis ist selbstverständlich pure Ironie!)
    Nota Bene:
    Ungeachtet der Tatsache, dass andere Forumsleser möglicherweise eine komplett andere Sichtweise der Dinge haben, wäre ich doch sehr dankbar, nicht diskrediert und/oder beleidigt zu werden, nur weil ich eine andere Ansicht vertrete. Man muss auch nicht unbedingt ein Anhänger, Mitglied oder ein Sympathisant der Mafia sein (was ich sicherlich nicht bin), wenn man zur Zurückhaltung in persönlichen Bewertungen aufruft!
    Das Wort ist ein scharfes Schwert, dass dem Waffenführenden eine bestimmte Portion Verantwortungsbewusstsein abverlangt – ganz besonders im investigativen Journalismus.
    Es sollte müßig sein, besonders in einem „Journalismus-Blog“ über das Recht der freien Meinungsäußerung zu philosophieren

  6. Uebrigens, wer Herrn Stefan fuer seine Kommentare bezahlt, kann man nur vermuten, seine beiden „Buchbesprechungen“ bei Amazon ueber Reskis Buch und des des Herrn Pelle lassen einiges ahnen.
    http://www.pegel-ruhrort.de

  7. isa,
    Sie sind nicht der/die einzige, der/die eine andere Meinung hat als der Herr Stefan.
    Melden sie sich mal!
    http://www.pegel-ruhrort.de
    Fuer unsere Serie „Die MAFIA in Duisburg“ suchen wir kompetente Autoren.

  8. @Elmar Stefan: Wer hat Sie denn bezahlt so einen gequirlten Mist hier zu verbreiten. Die Anschuldigungen über Herrn Antonio Pelle sind völlig KORREKT..Wenn jemand der ´Ndrangheta sehr Nahe steht, dann Herr PELLE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

  9. Es ist schon so eine Sache mit der Freiheit des Journalismus!
    Gern wird mit diesem Schlagwort operiert; mindestens genau so gerne wird auch übersehen, dass „ehrbarer“ Journalismus eine gehörige Portion Verantwortung beinhalten sollte!
    Verantwortung gegenüber den Personen, die ins Fadenkreuz der journalistischen „Ermittlungen“ geraten. Es ist sicherlich wenig hilfreich, ein im Jahre 2000 ergebnislos durchgeführtes Ermittlungsverfahren des BKA ins Feld zu führen, um den Duisburger Hotelier Pelle in ein schlechtes Licht zu rücken.
    Ob diesem nicht gefällt, was Frau Reski in ihrem Buch über die Präsenz der kalabrischen ’Ndrangheta in Deutschland schreibt, darf bezweifelt werden – es ist ja erschreckend wenig und in seinen „Erkenntnissen“ dürftig genug!
    Was ihm möglicherweise weniger gefallen wird, ist die Tatsache, mit bereits abgeschlossenen Verfahren, das seine Unschuld zweifelsfrei ergeben hat, konfrontiert zu werden. Das er sich juristisch dagegen wehrt ist legitim und auch nachvollziehbar!
    Die Behauptung, es liefen keine ähnlichen Verfahren in Italien, ist schlicht falsch! Momentan wird die italienische Zeitschrift „Panorama“ eben von diesem Herrn Pelle verklagt – offensichtlich mit Erfolg!
    Ähnlich schwierig wird es, wenn subjektive Empfindungen ins Feld geführt werden! Möglicherweise fühlt sich Frau Reski ja tatsächlich bedroht – von einer Äußerung, von einem Räuspern zum falschen Zeitpunkt ihres Vortrages – ich vermag es nicht zu beurteilen.
    Eines allerdings ist sicher: Polizeischutz als Publicity für den Abverkauf ihres Buches ist sicherlich nicht hinderlich!

  10. Mittlerweile fordert das Sportnetzwerk, ein Verband kritischer Sportjournalisten, an dessen Gründung Jens maßgeblich beteiligt war, einen Widerruf von Theo Zwanziger. Affäre Theo Zwanziger: DFB-Präsident tauscht Pressefreiheit gegen Diffamierung
    Die Erklärung ist auch ein Appell zur Unterstützung und Solidarität mit Jens Weinreich. Zur Unterzeichnung stehen in den Blogs sportnetzwerk und Jens Weinreich die Kommentarspalten offen.

  11. Ups. Erst denken, dann schreiben. Danke für den Hinweis; ist korrigiert.

  12. Nur so zur Info: es müsste disclosure (Offenlegung), nicht disclaimer (Haftungsausschluss)

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