Der Innenminister von Baden-Württemberg päsentierte ein angeblich vor der Tat im Internet veröffentlichtes ‚Bekennerschreiben‘ des Mörders von Winnenden. Das offenbart mangelhafte Online-Recherche der Ermittlungsbehörden. Dabei hatten diese mindestens zwei mal exklusiven Zugriff auf Quellen.

Erstens konnten sie den Computer von Tim K. untersuchen. Hätten sie dort Spuren gefunden, z.B. in der History des Browsers oder in dessen Cache, wäre der Beweis erbracht. Wenn sie keine Spuren gefunden haben, beweist das andererseits nichts – Tim K. könnte von einem anderen Rechner gearbeitet haben oder Experte für digitales Spurenverwischen sein. Der positive Beweis (etwas ist passiert) ist eben leichter als der negative (etwas ist nicht passiert). Letzterer kann sogar unmöglich sein.
Zweitens hatten die Ermittler frühen Zugriff auf krautchan.net, wo die Nachricht angeblich publiziert worden ist. Wer krautchan.net betreibt, weiß derzeit nur die Firma Domains by Proxy. Als die Nachricht in der Welt war, gingen die Server wegen der vielen Nutzeranfragen in die Knie – „slashdotting“ nennt man das im Jargon, auf Deutsch habe ich auch schon mal gelesen, ein Webauftritt sei „geheiset“ worden. Alle Deep-Links auf krautchan, die man durch die Caches z.B. von Google und Yahoo nachweisen konnte, lieferten nur 404-Meldungen.
Die Polizei aber wusste von der angeblichen Veröffentlichung dort vorher; sie hätten also die Echtheit prüfen können.
Die Fälschung zu beweisen, ist jetzt kaum noch möglich. Nicht-Funde in Caches sind dieser Beleg streng genommen nicht. Nachträgliche Wieder-Veröffentlichungen des krautchan-Threads auch nicht. Serverlogs von krautchan wären es vielleicht, wenn sie garantiert unverändert sind.
Entscheidend ist aber: Auch für die Echtheit des ‚Bekennerschreibens‘ gibt es keinen Beleg. Und unbelegtes Material verwenden, das nennt man Gerüchteküche, das dürfen weder Journalisten, noch Polizei, noch Innenminister.
Der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) sollte jetzt die politische Verantwortung übernehmen, immerhin ist die Panne in seinem Apparat passiert. Damit meine ich nicht, dass er zurücktreten solle. Er soll dafür sorgen, dass in es seinen Ermittlungsbehörden künftig ausreichende Kompetenz für digitale Spurensicherung gibt.

1 Comment

  1. Ist schon bedenklich, dass sie es jetzt nicht geschafft haben, das zu belegen und jetzt kann es nicht als Beweis benutzt werden… naja so etwa ssollte nicht zu oft vorkommen, wirft kein gutes Licht.

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