Andreas Kopietz bezichtigt sich selbst und bekennt in der Berliner Zeitung, in der Wikipedia Schmu gemacht zu haben: Seine Behauptung, die Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain habe in DDR-Zeiten den Kosenamen „Stalins Badezimmer“ gehabt, überstand gar einen Löschversuch durch ihn selbst, nachdem sie vorher munter verbreitet wurde.
Hal Faber bringt die Geschichte auf den Punkt: „Hoffentlich ermuntert sie Journalisten, beim „Fact-Checking“ niemals Wikipedia allein zu vertrauen.“
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Wie Sie m.E. richtig darstellen, ist die Verbreitung falscher Informationen nicht nur ein Problem der Wikipedia. Vor allem die Möglichkeit der schnellen Verbreitung von Nachrichten und Informationen im Web 2.0 zeigt das viel deutlicher als die langsameren Kulturtechniken. Gerade deshalb halte ich es für wichtig, die Wikipedia-Autoren in ihren Bemühungen um belegte Informationen zu unterstützen.
Ich finde es seltsam, daß die Diskussion über diesen „Scherz“ fast überall ausblendet, was eigentlich am Anfang der Geschichte steht: Vandalismus. „Absichtliches Verfälschen von Informationen“ (ebenda) behindert und beeinträchtigt die Arbeit der ehrenamtlichen Autoren der Wikipedia, die sich um die Verbreitung freien Wissens bemühen. Wenn dies auch noch Journalisten tun, die für ihre Arbeit bezahlt werden, dann bekommt das ganze eine ziemlich herbe Note. In meinem Blog habe ich das ganze Schmutzige Wäsche in „Stalins Badezimmer“ genannt.
Moin, verehrter Thomas Tunsch,
ich stimme Ihnen zu, dass es ich bei „Stalins Badezimmer“ um einen Akt des Vandalismus handelt. Als solchen kann man ihn verurteilen.
Das trifft aber meines Erachtens nicht den Punkt: „Stalins Badezimmer“ ist ein Musterbeispiel für Gefahren oder Untiefen der Wikipedia, die auf zweierlei fusst:
Erstens der Leichtigkeit des Änderns von Wikipedia-Inhalten (auch Vandalismus).
Und zweitens der unreflektierte Nutzung dessen, was da geschrieben steht (vulgo: der geist- und kritiklosen Abschreiberei).
„Stalins Badezimmer“ zeigt für mich, wie leicht Sachen, die einmal in Wikipedia auftauchen, von anderen übernommen und dann für seriös gehalten werden. Und die Geschichte sehe ich, gerade weil der Urheber sich dazu in einem Medium bekannt hat, als wichtiges Beispiel an. Für die Zeitschrift message habe ich gerade ein Stück über Public Relations (PR) und Journalismus im „Web 2.0“ geschrieben („Sockenpuppen auf Kunstrasen“). Dafür habe ich auch mal angesehen, wie viel PR-Schönschreiberei man in entsprechenden Wikipedia-Artikeln findet. Das netzwerk recherche hatte jüngst eine Fachkonferenz zu dem Thema (PR und Journalismus – zwischen Konfrontation und Kooperation). Mein Fazit: Lange suchen muss man danach nicht, die Beispiele fallen einem zu wie reife Äpfel vom Baum. Solcher Vandalismus, der ein klares Interesse an der Verbreitung falscher Informationen hat, ist viel gefährlicher und verbreiteter.
Naja, grundsätzlich sind ja alle Medien in dieser Form manipulierbar. Das liegt wohl nicht an Wikipedia alleine. Man muss also die Klaviatur nutzen, wenn man sicher gehen will.
„Hoffentlich ermuntert sie Journalisten, beim „Fact-Checking“ niemals Wikipedia allein zu vertrauen.“
Das ist der falsche Punkt. Die Wikipedia ist keine Quelle und kann deswegen schon nicht alleine zum Fact-checking verwendet werden – Ausnahme sind Geschichten über die Wikipedia.
Die Wikipedia kann helfen, Quellen zu finden, etwa über die einzelnachweise oder im Text zu findende Suchbegriffe. Sollte die Wikipedia, etwa mangels Alternativen, tatsächlich verwendet werden, muss sie zwingend als Quelle genannt werden (fordere ich generell bei Ein-Quellen-Geschichten). Zuvor würde ich aber zumindest noch den Autor des Wikipedia-Textes nach seinen Quellen fragen – das ist ein Mindestmass an Quellenprüfung.
Moin Marcus,
Ich stimme zu, dass Wikipedia keine Quelle ist – so steht das ja auch in den Standards für die Online-Recherche:
recherche-standards.wikispaces.com/03+-+Wikipedia.
Aber Hal hat in dem Sinne Recht, dass viele Kollegen Wikipedia zur (vermeintlichen) Faktenprüfung nutzen. Klar, das geht nicht, weil die „freie Enzyklopädie“ dafür nicht taugt, objektiv findet also gar keine valide Prüfung statt. Subjektiv glauben diejenigen, die in Wikipedia nachschauen, aber dennoch, sie hätten recherchiert.
Das ist das eigentliche Problem, was durch die nette Geschichte von Andreas Kopietz nochmal deutlich wird: Wenn
die Fehlinformationder Mist erstmal in der Wikipedia steht, wird er abgeschieben – auch von Medien. Das war so beim Wilhelm von Karl-Theodor zu Guttenberg: Erst steht es in Wikipedia, dann übernehmen es die Medien. Spiegel online brachte den falschen Namen gar als -fingiertes- wörtliches Zitat, so, als stellte sich zu Guttenberg, nach seinem vollen Namen gefragt, inklusive des gefakten Wilhelm vor. Und schwupps steht man beim Fact-Checking vor dem Problem, viele andere ‚Belege‘ neben der Wikipedia zu haben.Nun ist es bei einem Adligen, der obendrein Bundestagsabgeordneter
istwar und einen Doktortitel führt(e), noch relativ leicht, das mithilfe anderer Quellen zu prüfen. (Sofern man der Mühewaltung nicht scheut, auch andere Quellen zu nutzen als jene, die Google & al beim ersten Anfragen ausspucken, zum Beispiel die Personennormdaten PND der Deutschen Bibliothek).Mit „Stalins Badezimmer“ ist das schon schwieriger. Ähnlich wie bei KTzG ist das eine (mal ins Unreine getippt) wikipedia-in
fdizierte Zitierschleife. Kopietz stellt in der Berliner Zeitung sehr plastisch dar, wie sich der Kosename, einmal im Wikipedia-Artikel erwähnt, in Online- und Printmedien verbreitete. ‚Quellen‘ zu Hauf, denkt da der Unbedarfte, obwohl es in Wirklichkeit keine sind – schon, weil sie nicht unabhängig sind. Zumal bei so einer Zitierschleife auch die Quellenangaben der Wikipedia korrumpiert werden: Im Falle KTzG tauchte das gefakte Zitat aus SpOn in den Einzelbelegen auf.Nocheinmal Zitat Andreas Kopietz:
„Wer vor zwei Wochen den Begriff googelte, fand 328 Einträge.“ – „Nicht einer gab das Internet-Lexikon Wikipedia als Quelle an, und ich war erstaunt über die ungeahnte Karriere meiner Erfindung.“
Das führt zu einem Problem, auf dass ich auch noch keine Lösung weiss: Bei dem Badezimmer-Schnack könnte man immerhin noch gucken, seit wann das in der Wikipedia erwähnt ist, und müsste dann Quellen finden, die bereits vorher publiziert wurden – was online zu dem Problem führt, das Alter von Webseiten zu bestimmen (nicht trivial). Beim Urheber der Änderung nachzufragen ginge auch – aber in diesem Fall nicht, weil die Änderung anonym vorgenommen wurde.
Wie gesagt, so recht weiss ich da derzeit weder eine theoretisch saubere, noch eine alltagstaugliche Lösung. Die Problematik beschäftigt mich derzeit sehr, weil ich aus meinen zahlreichen Seminaren vor unterschiedlichen Teilnehmerkreisen (von Erstsemestlern bis zu langjährigen Praktikern verschiedener Berufe) weiss, wie wichtig die Wikipedia
istgenommen wird.Vor längerem hatte ich ein „Arbeitsblatt“ über den Nutzen der Wikipedia verfasst, um Quellen zu finden:
Wie recherchiert man mit der Wikipedia? Wikipedia als Wissens-Navigator – Einige Links und Anmerkungen, online unter:
http://www.ude.de/seminar/wikipedia-navigator.pdf (PDF, 5 S., 63 KB)
Nach der Badezimmer-Geschichte habe ich jetzt eines über die Risiken nachgeschoben:
Achtung Wikipedia! Hinweise zum kritischen Umgang mit der „freien Enzyklopädie“, online unter:
http://www.ude.de/seminar/achtung-wikipedia.pdf (PDF, 3 S., 45 KB)
Mir fällt noch eine Sache ein, die man schnell (und wiki-intern) prüfen kann: Die Sprachversionen. Das sind die Links in der linken Navigationsspalte „In anderen Sprachen“ (engl. „languages“). Die verweisen nicht auf die anderssprachigen Versionen der Wikipedia allgemein, sondern auf die verschiedenen Sprachversionen dieses speziellen Artikels. Gibt es zwischen den unterschiedlichen Versionen starke Abweichungen oder wurden Änderungen an mehreren durch von denselben Nutzern oder IP-Adressen vorgenommen, sollte man skeptisch werden.
Geil! Da sieht man mal, wie leicht Wiki zu manipulieren ist. Und der ganze Schmuh wird dann munter von Möchtegern-Journalisten im Netz verbreitet.