Wie hoch sind die Mauern von Bin Ladens Versteck?
Susanne Lob hat mich gestern darauf aufmerksam gemacht, dass in deutschen Medien die Angaben zur Höhe der Mauer rund um Bin Ladens Versteck variieren - während FTD und Mopo an einer Stelle 5,40 Meter und an einer anderen 3,60 Meter angeben, nennen FAZ und SZ 5,50 Meter bzw 3,70 Meter, also jeweils 10 Zentimeter mehr.
Die Ursache ist relativ schnell zu finden. Als Quelle der Grafik wird die CIA angegeben. Mit dieser Google-Suche findet sich das Original recht schnell:
site:cia.gov abbottabad
Hier werden 12 und 18 feet angegeben. Offensichtlich haben sich es FTD und Mopo einfach gemacht und einfach mit 30 Zentimetern pro Fuß gerechnet, während FAZ und SZ genauer umgerechnet haben: Ein Fuß entspricht 0.3048 Metern. In der Summe kommen, aufgerundet, dann jeweils 10 Zentimeter mehr raus.
Die Ungenauigkeit durch das jeweilige Aufrunden ist allerdings fest genau so groß wie die Ungenauigkeit durch die ungenaue Umrechnung. Legt man die Originalangabe in Fuß zu Grunde kann man eine Genauigkeit von plus/minus einem Fuß ausgehen. Gemessen daran würde eine Angabe auf einen Zentimeter genau eine Scheingenauigkeit suggerieren.
May 10th, 2011 at 18:42
LOL! Wer die Zeit und Muße hat, sich mit solchen Nebensächlichkeiten zu beschäftigen, der verdient meinen ganzen Respekt ;-)
May 10th, 2011 at 20:24
Die Längenmaße in Pakistan sind vielleicht grundsätzlich unterschiedlich: mir ist bei der Berichterstattung aufgefallen, dass für einige Berichterstatter Abbottabad 50 km nördlich von Islamabad liegt, während für andere 100 km.
May 17th, 2011 at 14:21
Naja, Nebensächlichkeiten hin oder her. Woher kommen die Unterschiede denn dann?Über eine 3.5m hohe Mauer kommt man ja drüber, aber über eine 5,5m hohe nicht mehr.
May 19th, 2011 at 22:41
Danke für den informativen Artikel.
Ein kleiner Vorschlag: Wie wäre es, allen Journalisten mal eine Umrechentabelle für internationale Maße zur Verfügung zu stellen?
May 19th, 2011 at 23:53
@Gavin: Ich halte Faktentreue für eine journalistische Kernkompetenz. Wenn ich es nicht genauer weiß, dann sollte ich auch keinen anderen Eindruck erwecken.
@Daniel: Das sind ja krasse Abweichungen - muss ich mir mal anschauen. Wunder tut’s mich allerdings nicht (siehe auch http://recherche-info.de/2008/10/14/warum-wart-ihr-nicht-im-netz-korrespondenten/)
@Rolf: Das ist zu viel verlangt. Ist ja auch alles online - irgendwo. ;-)
May 22nd, 2011 at 23:29
@Marcus
Mit der Kernkompetenz gebe ich dir absolut recht. Wenn man die genauen Daten nicht weiß, umschreibt man es halt mit „recht hoch“ oder so ;-)
May 29th, 2011 at 13:05
@Gavin
Aus genau dem Grunde bleiben manche dann eben auch bei „style guides“
hängen, eben wegen solcher ‘Nebensächlichkeiten’ wie Faktentreue,
Kompetenz und Recherchevermögen.
May 29th, 2011 at 22:27
Man kann ja wohl kaum von einem Journalisten erwarten, dass er hinfährt und nachmisst ;-) Im Ernst: Solche Infos beruhen meist auf Schätzungen, anders geht es gar nicht.
June 8th, 2011 at 15:05
:-) Irgendwie fiel mir beim Begriff „Scheingenauigkeit“ der gute Herr Heisenberg wieder ein… In der Statistik behilft man sich ja einfach mit Standardabweichung und Streubereich, in diesem Fall leider nicht sinnvoll anwendbar. Hier ist dann doch sehr zu begrüßen, dass Journalisten nachrechnen und nicht nur abschreiben - journalistische Kernkompetenz halt.
Liebe Grüße
Corinna
June 11th, 2011 at 18:58
Ich habe so viele Nachrichten, dass Bin Laden noch nicht einmal wissen, was sie denken zu lesen. Manchmal frage ich mich, ob dieser Mann tatsächlich existierte.