Wenn ein Unternehmen zu mehr als 50 Prozent in Besitz der öffentlichen Hand ist, dann hat es gegenüber Journalisten die gleichen Auskunftspflichten wie eine Behörde. Das entschied das Verwaltungsgericht Berlin nach meiner Klage gegen die Berlin Partner GmbH. Bisher gab es nur Urteile, die solche Auskunftspflichten bei einer Beteiligung der öffentlichen Hand von 70 oder 80 Prozent vorsahen (jedenfalls habe ich nur solche Urteile in Urteilsdatenbanken gefunden). Das bedeutet: Der Auskunftsanspruch von Journalisten wird durch die Entscheidung nun auch ausgeweitet auf alle Public-Private-Partnerships, bei denen der Staat eine knappe Mehrheit hält.
Das Verwaltungsgericht Berlin beruft sich in seiner Entscheidung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das erst im vergangenen Jahr ergangen war. Das höchste deutsche Gericht entschied damals über die Frage, ob im Empfangsgebäude des Frankfurter Flughafens Demonstrationen von Fluglärmgegnern grundsätzlich erlaubt werden müssen (wie auf öffentlichem Gelände) oder nicht (wie auf Privatgelände). Das Verfassungsgericht erlaubte die Demonstrationen, weil dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt zusammen knapp mehr als die Hälfte der Anteile an der Flughafengesellschaft „Fraport AG“ gehören. Diese Entscheidung über die Reichweite der Versammlungsfreiheit wandte das Verwaltungsgericht Berlin jetzt auch auf die Reichweite der Pressefreiheit und damit auf das Presseauskunftsrecht an.
In der Entscheidung heißt es wörtlich über die Berlin Partner GmbH: „Die Beklagte ist hier Behörde im Sinne des § 4 Absatz 1 Pressegesetz Berlin. Den Landespressegesetzen ist ein eigenständiger Behördenbegriff zu eigen, der auch juristische Personen des Privatrechts wie eine GmbH erfasst, deren die öffentliche Hand sich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient, wobei es ausreicht, dass die juristische Person des Privatrechts von der öffentlichen Hand beherrscht wird.“
Inhaltlich ging es bei meiner Klage um die Frage, welche Unternehmen das Hoffest des Regierenden Bürgermeisters im Jahr 2008 mit welchen Beträgen gesponsert haben. Bei diesen Partys feiern jährlich in den Innenhöfen des Roten Rathauses einige tausend geladene Gäste: Politiker, Verbandsvertreter, Schauspieler, Unternehmer, Sänger, Designer, Sportler, Prominentenfriseure und sonstige Bekanntheiten. Im Jahr 2008 gab es eine Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst, und Ver.di-Mitglieder hatten vor den Toren des Hoffestes demonstriert. Unter dem Motto „Wasser statt Wein“ forderten Mäßigung beim Feiern und stattdessen mehr Geld für die Beschäftigten. Wowereit reagierte mit dem Hinweis, dass für das Fest kein Steuergeld fließe, sondern dass es vollständig von Sponsoren bezahlt werden. Auch in der Pressemitteilung der Senatskanzlei hieß es, für das Fest würden „keine öffentlichen Mittel aufgewandt. Stattdessen engagieren sich rund 90 Sponsoren aus der Wirtschaft“. Mich interessierte, ob diese Aussage stimmt.
Meine Klage auf Auskunft richtete sich nicht gegen die Senatskanzlei. Denn die warb die Sponsoren gar nicht selbst ein, sondern hatte diese Aufgabe an die Berlin Partner GmbH ausgelagert, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landes Berlin, an der auch Privatunternehmen beteiligt sind. Die Berlin Partner GmbH fand jedoch, dass es sich bei der Höhe des Sponsorings um Betriebsgeheimnisse der Sponsoren handele. Und berief sich auf § 4 Absatz 2 Nummer 4 des Landespressegesetzes, in dem es heißt: Auskünfte können verweigert werden, „soweit ein schutzwürdiges privates Interesse verletzt würde“.
Das Gericht hatte nun über das Wort „schutzwürdig“ zu entscheiden – mit folgendem Ergebnis: „Im Übrigen sind etwa berechtigte Interessen besagter Sponsoren an der Geheimhaltung ihrer Namen bzw. Firmen sowie der Art und des Umfangs ihrer Leistungen auch nicht schutzwürdig. (…) Ob die betroffenen privaten Interessen schutzwürdig sind, ist im Wege einer umfassenden Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den entgegenstehenden privaten Interessen zu ermitteln. Im vorliegenden Fall geht diese Abwägung zugunsten des Informationsinteresses der Öffentlichkeit aus. (…) Der Kläger hat hier nachvollziehbar ein großes Interesse der Öffentlichkeit an den erstrebten Informationen zum Sponsoring des Festes dargelegt. (…) Das Fest und seine Finanzierung sind bereits Gegenstand einer öffentlich ausgetragenen politischen Auseinandersetzung gewesen. Beschaftigte des offentlichen Dienstes, die sich seinerzeit in einer Tarifauseinandersetzung mit dem Land Berlin befanden, protestierten am Rande des Festes unter anderem mit der Forderung „Wasser statt Wein“. Der Regierende BUrgermeister reagierte auf diese Proteste mit der schon oben sinngemäß wiedergegebenen Aussage. Sowohl über die Proteste als auch über diese Aussage wurde in mehreren Zeitungen berichtet. Vor diesem Hintergrund ist von einem breiten öffentlichen Interesse an Informationen darüber, welche Personen das Fest mit welchen Geldbetragen sponserten, auszugehen, zumal besagte Informationen für eine politische Bewertung der Richtigkeit der erwähnten Aussage des damaligen und heutigen Regierungschefs des Landes Berlin, eines großen Teilen der Bevolkerung bekannten Politikers, relevant sein könnten.“
Leider dauerte es von meiner Klage, die ich im Januar 2009 einreichte, bis zu dieser Entscheidung knapp dreieinhalb Jahre. Aber die vollständige Sponsorenliste (PDF) war auch nach so langer Zeit noch noch interessant. Der größte Sponsor des Hoffestes, für das nach Angaben von Klaus Wowereit „kein Steuergeld“ floss, waren mit 14.900 Euro die Berliner Stadtreinigungsbetriebe, eine zu hundert Prozent dem Land Berlin gehörende Anstalt des öffentlichen Rechts. Jeweils mehrere tausend Euro zahlten auch die Berliner Verkehrsbetriebe (landeseigene Anstalt des öffentlichen Rechts), Degewo und Gewobag (zwei landeseigene Wohnungsbaugesellschaften), die Berliner Wasserbetriebe und die Berlinwasser Holding (gehören beide zu knapp der Hälfte dem Land) sowie die Berliner Flughafengesellschaft (Aufsichtsratsvorsitzender: Klaus Wowereit). In der taz schrieb ich daraufhin: „Manche Lügen haben lange Beine“ und „Wowereit macht den Wulff„.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist rechtskräftig, es gibt sie hier im Volltext.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *