Der Freitag schreibt auf seiner Webseite:

Eigentlich sollte hier ein Interview mit der MDR-Redakteurin Meike Götz stehen. Das Gespräch fand am Dienstag vor acht Tagen in Berlin statt. Es dauerte 75 Minuten bei laufendem Aufnahmegerät (…) Eine Autorisierung hat der MDR, trotz anders lautender Ansagen, bis Redaktionsschluss hinausgezögert. Rechtlich besteht diese Möglichkeit; den Text trotzdem abzudrucken, obwohl er den Wortlaut der Unterhaltung wiedergibt, könnte indes Kosten verursachen, die für den Freitag zu hoch sind.

Dieser Glaube ist im Journalismus weit verbreitet. Aber er ist falsch. Man darf Interviews drucken, die nicht autorisiert wurden. Es drohen dann keinerlei Kosten.
Es gibt zwar keinen Paragrafen, in dem man das nachlesen kann. Aber den braucht es ja auch nicht: In Deutschland ist alles erlaubt, was nicht verboten ist. Wenn ein Interviewpartner vor Gericht gegen das abgedruckte Interview vorgehen wollte, müsste er eine juristische Grundlage dafür nennen. Doch die wird er nicht finden. Es gibt keinen Paragrafen, der Journalisten verbietet, die Wahrheit zu berichten.
Welche Szenarien sind denkbar? Wie könnte der Interviewpartner versuchen, ein Verbot des Abdrucks und/oder eine Schadensersatzzahlung durchzusetzen?
Er könnte natürlich behaupten, die Zitate wären falsch und er hätte das nie gesagt. Die Zeitung muss dann beweisen, dass die Zitate wirklich gefallen sind. Dank des Tonbands wird das problemlos gelingen. Natürlich darf die Zeitung dann nur Zitate drucken, die im Gespräch ganz genau so gesagt wurden. Das übliche Redigieren eines Interviews ist dann nicht möglich. Ein Wort für Wort wiedergegebenes Gespräch liest sich aber nicht so gut. Daher bietet es sich an, einen normalen Fließtext zu schreiben, in dem man dann die Aussagen des Interviewten wiedergibt. So, wie sie auf Tonband sind.
Der Interviewte könnte alternativ versuchen, darauf zu verweisen, dass die Autorisierung aber versprochen wurde. Auch damit hätte er aber vor Gericht keinen Erfolg. Es gibt keinen Paragrafen, der es verbietet, Versprechen zu brechen. Manche juristisch besonders bewanderte Interviewpartner schließen daher einen schriftlichen Vertrag, in dem die Autorisierung vereinbart wird, und vereinbaren darin eine Strafzahlung bei Vertragsbruch. Wenn der Journalist vor einem Interview solch einen Vertrag unterschreibt, dann – und nur dann – muss er hinterher den vereinbarten Betrag zahlen. Sonst nicht.
In der taz haben wir zum Beispiel mal bei einem Interview mit der Fußball-Nationalspielerin Lira Bajramaj das Gespräch in der autorisierten Fassung abgedruckt – und unten drunter zusätzlich einige ausdrücklich nicht autorisierte Zitate. So erfuhren die Leser, was Bajramaj über Uli Hoeneß gesagt hatte: „Der weiß doch noch nicht einmal, dass dieses Jahr Frauen-WM ist.“ Wir druckten zusätzlich auch die Begründung ihres Managements ab, warum dieses Zitat nicht gedruckt werden darf: „Über den FC Bayern darf man nichts sagen.“ Bei einem anderen nicht autorisierten Zitat sprach Bajramaj über Zinedine Zidanes Kopfstoß beim WM-Finale: „Wenn man schon Rot kriegt, dann würde ich ihm auch gleich richtig die Nase brechen.“ Die von uns mit abgedruckte Begründung des Managements, warum diese Aussage nicht hätte erscheinen dürfen: Das würde eine Lady nie sagen.
Eine Klage von Bajramaj gegen den Abdruck der Zitate wäre juristisch aussichtslos gewesen. Sie hat es auch gar nicht erst versucht. Beim Medium Magazin gibt es weitere Beispiele für Redaktionen, die so gehandelt haben.
Soweit die reine Betrachtung der Rechtslage. Das ist aber noch keine Empfehlung für die Praxis. Man muss ja nicht immer alles machen, was auch erlaubt ist.
Grundsätzlich gilt: Es sollte für jeden Journalisten eine selbstverständliche Ehrensache sein, sich an seine Versprechen zu halten. Die Autorisierung ist sinnvoll für beide Seiten. Sie ermöglicht es Journalisten, ein Interview umfangreich zu bearbeiten, es also zum Beispiel stark zu kürzen und es verständlich zu machen. Das geht natürlich nur, wenn der Gesprächspartner am Ende nochmal die Möglichkeit hat, draufzuschauen und sicherzustellen, dass er richtig wiedergegeben wird und dass nichts aus dem Zusammenhang gerissen wird. Deshalb vereinbare auch ich Autorisierungen. Ich schicke die Texte vorab an meine Gesprächspartner und verhandele regelmäßig und reibungslos über die Formulierungen mit jenen, die dabei das gleiche Anliegen haben wie ich: Das Gespräch verständlich und fachlich korrekt wiederzugeben.
Es gibt aber auch Interviewpartner, die sich an diesen Sinn der Autorisierung nicht halten. Sie missbrauchen sie, um das Gespräch völlig neu zu schreiben, um eindeutig gefallene Aussagen zu streichen oder um sogar das gesamte Interview zurückzuziehen. Wenn ein Gesprächspartner in solch gravierender Weise die Regeln bricht, dann frage ich mich, warum ich mich an die Vereinbarung eigentlich noch gebunden fühlen sollte.
Um den Gesprächspartner nicht zu verärgern!, würden jetzt viele Journalisten sagen. Sie fürchten, dass die Person ihnen nie wieder ein Interview geben könnte.
Hä?? Warum sollte ich in Zukunft nochmal ein Interview mit jemandem führen wollen, der nicht dazu steht, was er sagt? Warum sollte ich mit jemandem reden, der mich als Instrument seiner PR-Strategie verwendet? Der will, dass ich mich mit ihm gegen meine Leser verbünde, indem ich denen verschweige, was ich erfahren habe? So jemand soll sich für seine „Interviews“ in Zukunft bitte andere Journalisten suchen, ich stehe als sein Fußabtreter nicht zur Verfügung.
Aber was ist mit Leuten, die partout nicht mit einer bestimmten Aussage zitiert werden möchten?
Ganz einfach: Sie sollten diese Aussage gar nicht erst machen. Es ist auch niemand gezwungen, in einem Interview auf alle Fragen zu antworten. Wer nichts sagen will, der sollte einfach sagen: „Dazu möchte ich nichts sagen.“ So ist sichergestellt, dass keine andere Aussage abgedruckt wird. Aber ein Gesprächspartner sollte nicht erst etwas zu mir sagen und dann verlangen, dass ich das alles verheimliche. Ich bin nicht der Komplize der Interviewten, sondern der Komplize meiner Leser.
Sebastian Heiser arbeitet als taz-Redakteur

28 Comments

  1. Lieber Sebastian, für diesen Artikel danke ich Dir sehr herzlich, denn er spricht mir sehr aus der Seele. In 2012 habe ich ein Interview zu einem heiklen Thema nach langem hin- und her zugestimmt und dann im Beisein eines Anwalts durchgeführt, vorallem ging es um haltlose Unterstellungen, und ein Klarstellung von Tatsachen. Der Redakteur, der alleine angereist war, hat dann den gesamten Zusammenhang zerissen und nur einen Teil im Beitrag ausgestrahlt und weiterhin, trotz eindeutiger Beweise die ihm vorgelegt wurden, weiter die Unwahrheit, weil diese dann auch perfekt passte, um Thematisch ganz oben mitzuspielen ausgestrahlt und sogar noch behauptet, ich hätte NACH dem Interview eine ganz wesentliche und wichtig Mitteilung gemacht, die das Thema erst so brisant macht. Ich wurde sehr lange medial und auch von bestimmten Gruppen wie die Sau durchs Dorf getrieben, meine Familie und Tochter schwer genötigt und bedroht. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass alles was der Redakteur veröffentlicht hat, nicht stimmt und meine Unschuld erwiesen ist. Dennoch entschuldigt sich weder der Sender noch der Redakteur. Ich werde nie wieder, obwohl ich GERADE jetzt wieder sehr viel angefragt werden, NIE wieder ein Interview führen.

  2. @Chr. Jacoby:
    Sie mögen die verlinkten Leitlinien des DJV – aus welchen Motiven und Ansichten auch immer – für „standespolitisch motiviertes Wunschdenken“ halten. Abgesehen von dieser für Ihre Position latent verräterrischen Wortwahl ist es aber in gerichtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es für ein Urteil an klaren verbindlichen Rechtssätzen fehlt nicht ungewöhnlich, dass Fachorganisationen, zu denen für unseren Beruf der DJV ohne weiteres gezählt werden dürfte, im Zweifel auf Gepflogenheiten und fachlichen Grundsätzen gehört werden. Diese Praxis im Hinterkopf scheint mir alle male relevanter, als Ihre zutiefst persönliche – und durch was mehrheitsfähig bitte gedeckte – Meinung, im Moment werde…“darunter zu verstehen sein“… – sorry: Wer sind Sie? Ein Kammervorsitzender, der sich eine solche Festlegung – in contra zu einem Berufsverband! – zum Rechtsgrundsatz oder zumindest zum Bestandteil einer Rechtspflege machen zu können?
    Und: Nein – ich bin nicht Mitglied in der von Ihnen erwähnten „standespolitischen“ Organisation! Ich bin aber jemand, der des Deutschen insoweit mächtig ist, dass er den mitunter recht klaren Sinn über die scheinbare Einfachheit eines Wortes nicht zu vergessen droht. Z. B. des Wortes SORG-falt! Die zu den unbestrittenen Pflichten eines Journalisten gehört und übrigens rechtsrelevant ist. Weswegen ich den sehr wohl erwogenen Ausführungen Herrn Heisers, die wesentlich von situativer und sprachlicher Reflektiertheit zeugen, fast ausnahmslos Recht gebe. Und fast auch nur, weil ich diesen ganzen Fred jetzt nicht noch einmal sorgsam prüfend lesen mag.
    Aber wer sich in solchen Dingen, wie sie hier diskutiert werden, als derart unsicher zu erkennen gibt, sollte m. E. schon mal überlegen, ob er im richtigen Beruf gelandet ist.

  3. Ich schrieb, der Glaube daran sei unter Journalisten „weit verbreitet“, das heißt nicht, dass „die meisten“ diesem Glauben anhängen.

  4. In der Tat, falls ein Autorisierungsvorbehalt vereinbart ist, kommt es weiter darauf an, was unter „Autorisierung“ zu verstehen ist. Das, was die die oben verlinkten Leitlinien des Deutschen Journalistenverbandes darunter verstehen, ist aber standespolitisch motiviertes Wunschdenken. Im Moment wird, wenn nicht ausdrücklich auf diese Leitlinien verwiesen wird, darunter zu verstehen sein, dass der Interviewte der Publikation seiner Aussagen notfalls auch ganz widersprechen kann. Dass dies so ist, folgt im Übrigen auch aus dem allerersten Satz Ihres Blogbeitrags: so verstehen es nämlich selbst die meisten Journalisten.

  5. Chr. Jacoby: Selbst wenn man Ihrer Ansicht folgt, dann müsste der Gesprächspartner nicht nur beweisen, dass es eine Autorisierungsvereinbarung gab, sondern auch, welchen konkreten Inhalt diese überhaupt haben soll.
    In der Regel wird ja mündlich oder häufig auch schriftlich per E-Mail eine „Autorisierung“ vereinbart, ohne die Details näher zu regeln. Was mit „Autorisierung“ eigentlich gemeint ist, erklären die oben verlinkten Leitlinien des Deutschen Journalistenverbandes. Darin heißt es zum Beispiel unter Punkt 4: „Autorisierungen dienen der sachlichen Korrektheit, der Sinnwahrung und sprachlichen Klarheit. Änderungen müssen sich darauf beschränken“, unter Punkt 5: „Der Interviewte hat kein Recht, Fragen des Interviewers nachträglich abzuändern. Die Redaktion akzeptiert solche Eingriffe nicht“, unter Punkt 6: „Im besonderen Einzelfall kann das öffentliche Informationsinteresse den Abdruck einer zurückgenommenen Aussage rechtfertigen.“
    Wenn eine „Autorisierung“ vereinbart ist, wurde also nicht vereinbart, dass der Interviewte das Recht erhalten hat, das Gespräch vollständig „zurückzuziehen“ und dem Journalisten die Verbreitung jedweder Aussagen aus dem Gespräch zu untersagen.

  6. Die im Blogbeitrag vertretene Auffassung ist rechtlich nicht haltbar.
    Der EGMR verbietet in dem zitierten Urteil (= RS. Wizerkaniuk v. Polen, dort Rn. 83) ausdrücklich nur strafrechtliche (!) Sanktionen und verweist ganz im Gegenteil darauf, dass privatrechtliche Sanktionen möglich und ausreichend waren.
    Zivilrechtliche Grundlage für Sanktionen – zwar werden mangels Schadens nur selten Schadensersatzansprüche möglich sein, wohl aber i.d.R. Unterlassungsansprüche – ist die Autorisierungsvereinbarung. Die muss natürlich bewiesen werden. Schriftlich muss sie nicht sein.

  7. Das klingt alles so schön. Zu schön um wahr zu sein. Will ein Interviewpartner jedoch zu einem Thema nichts im Artikel stehen haben, dann reicht ein “ dazu will ich nichts sagen“ nicht aus. Denn der pfiffige Journalist kann dann ja immer noch schreiben: “ ob Hoeneß überhaupt wisse, dass Frauen WM sei? Dazu wollte sie sich nicht äußern.“ Und schon hat der Journalist seine negative Aussage, die ihm die Aufmerksamkeit bringt, auch wenn der Interviewte eigentlich nur diskret sein wollte. Bitte nicht so fair, unschuldig und vor allem machtlos tun.

  8. Aber auf Podiumsdiskussionen vor Publikum müssen die Leute doch auch nicht vor jedem Satz dreimal nachdenken, bevor sie etwas sagen. Ihnen muss halt bewusst sein, dass das Interview selbst schon ein öffentliches Gespräch ist und es später nur noch um die Frage der genauen Druckfassung geht.

  9. Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Bin juristisch voll überzeugt.
    Und ich folgere: Auch in Hintergrundrunden und aus Unter-Drei-Terminen bei der BPK kann man zitieren, ohne verklagt zu werden. War ja wohl auch so, als der Spiegel neulich Voßkuhle zitierte.
    Nicht zu 100 Prozent kann ich mich allerdings der Argumentation anschließen, dass man mit Leuten, die nachträglich Zitate streichen, dann eh keine Interviews mehr führen möchte. Interviews beruhen halt wie Hintergrundgespräche auf einem gewissen Vertrauensverhältnis. Und wenn der Interviewte vor jedem Satz dreimal nachdenkt, stört das einfach das Gespräch. Die Autorisierungspraxis gibt dem Gesprächspartner Sicherheit und macht ihn darum lockerer.

  10. Hallo Christoph,
    Deine Intuition irrt 🙂
    Wie gesagt ist es schwierig, zu belegen, dass etwas erlaubt ist, denn in unserem Rechtssystem muss derjenige, der etwas verbieten will, belegen, dass es verboten ist. Es gibt kein Urteil, das den Abdruck von nicht autorisierten Interviews verbietet oder dafür Schadensersatz verlangt – und es würde eins geben, wenn die Rechtslage so wäre…
    Anführen kann ich allerdings einen Fall aus Polen, über den der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu urteilen hatte. Dort hatten zwei Journalisten ein Gespräch mit einem Abgeordneten geführt und es auf Tonband aufgezeichnet. Der Abgeordnete verweigerte die Autorisierung der Gesprächszusammenfassung. Die Journalisten druckten daraufhin einzelne Zitate des Abgeordneten im Wortlaut, so wie sie auf Band waren. Polnische Gerichte hielten das für unzulässig. Der europäische Gerichtshof kam zu einem anderen Ergebnis und sah einen Verstoß gegen Artikel 10 der Euroäischen Menschenrechtskonvention: „Jede Person hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Meinungsfreiheit und die Freiheit ein, Informationen und Ideen ohne behördliche Eingriffe und ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen zu empfangen und weiterzugeben.“
    Das Gericht führt aus, dieses Grundrecht sei „eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft und eine der Grundvoraussetzungen für ihren Fortschritt und für die Selbstverwirklichung des Einzelnen“ (Randnummer 58 des Urteils).
    Wenn die Interviewten die Veröffentlichung komplett verhindern könnten, könne das die „negative Folgen haben, dass verhindert wird, dass Journalisten bohrende Fragen stellen, aus Angst, dass ihre Gesprächspartner später durch Versagung der Autorisierung die Veröffentlichung des gesamten Interviews blockieren, oder sie wählen als kooperativ bekannte Gesprächspartner, zu Lasten der Qualität der öffentlichen Debatte“ (Randnummer 82).
    Den Volltext gibt es hier: http://dejure.org/dienste/internet2?hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-105557
    Die Äußerung von Lira Bajramaj war übrigens nicht vertraulich geäußert, sondern im Rahmen eines Interwievs mit zwei Journalisten bei laufendem Tonband.
    Damit erst gar keine Missverständnisse aufkommen, ist es ratsam, auf einen Autorisierungswunsch so etwas zu sagen wie: „Naja, sagen wir so: Sie können anschließend gerne nochmal drüberlesen, um sicherzugehen, dass das Gespräch richtig wiedergegeben wird.“
    Wenn ein Gesprächspartner von Anfang an darauf besteht, dass er hinterher alles nach seinem Belieben umschreiben und zurückziehen kann, dann würde ich erst gar kein Interview mit ihm führen.

  11. Hallo Sebastian,
    kannst du noch einmal auf die Sache mit dem mündlich geschlossenen Vertrag eingehen? Meine Laien-Intuition sagt mir: Wenn ich einen Vertrag breche und damit einen Schaden verursache, muss ich Schadensersatz zahlen. Was wäre, wenn Lira Bajramaj argumentierte, dass ihr Werbeverträge entgehen, weil ihre wenig damenhafte und eigentlich vertraulich geäußerte Formulierung öffentlich wurde?
    Danke und schönen Gruß
    che

  12. @alex
    Das könnte ich mir vorstellen. Wenn jemand jedoch über eine bloße Bitte zur Autorisierung hinaus zu verstehen gibt, dass er der Veröffentlichung nur zustimmt, wenn er den Text vorher abgesegnet hat, würde ich das anders sehen – auch ohne schriftliche Vereinbarung oder Vertragsstrafe. Was mich nur stört ist der im Blogeintrag erweckte Eindruck, das nichts der Veröffentlichung eines Gesprächsinhalts entgegen stünde. Ich halte das wie gesagt nicht für überzeugend, da das allgemeine Persönlichkeit eben auch dies schützt. Damit braucht der Journalist grundsätzlich eine Zustimmung. Wann die worin (nicht) gesehen werden kann ist eine Sache des Einzelfalls, doch ein gerichtliches Vorgehen würde ich – anders als hier dargestellt – nicht als völlig abwegig und aussichtslos betrachten.

  13. es kommt wohl auch ein wenig auf die formulierung an, aber wenn ich ein interview gebe, will und weiß ich ja, dass das, was ich sage, veröffentlicht werden soll – eine autorisierung dient der kontrolle der richtigkeit der aussagen, nicht mehr. ich kann mich nicht auf einmal darauf berufen, dass alles doof war, was ich gesagt habe, zumal nicht, wenn ich ein geübter interviewpartner bin, wie es häufig der fall ist. das ist keine vertragsverletzung des journalisten, sondern des interviewten.

  14. „dennoch erfolgende Autorisierung“ -> „dennoch erfolgende Veröffentlichung“

  15. Also nach meiner Kenntnis gelten auch mündliche Verträge und es gibt entgegen den Ausführungen des Autors sehr wohl ein Recht, dass die Veröffentlichung verbietet: Nämlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 und 2 Grundgesetz. „[…] Denn der Einzelne hat ein grundsätzliches Recht darauf, nicht den Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt zu sein und selbst zu bestimmen, ob er Äußerungen z.B. nur einem Gesprächspartner, einem bestimmten Adressatenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich macht.“ (LG Saarbrücken, Urt. v. 16.12.2011 – 4 O 287/11, openJur 2012, 64.). Wenn der Gesprächspartner beim Interview sagt, dass er der Veröffentlichung ohne Autorisierung nicht zustimmt, ist eine dennoch erfolgende Autorisierung rechtswidrig. Schadensersatz gibt es jedoch nicht immer, sondern nur dann, wenn die Veröffentlichung eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung feststellt. Dagegeben kann immer auf Unterlassung und Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung geklagt werden.

  16. > Es ist ohnehin eine Unsitte, dass sich auch bei journalistischen Interviews der Sprachregelungswahn und das Kontrollbedürfnis ausgebreitet haben.
    Politikergestammel, im Extremfall wie das damals von Stoiber, will aber auch nicht wirklich jemand lesen 🙂

  17. Ich lasse gern autorisieren. Das Interview schreibt sich dann leichter und es wird spannender, denn ich kann dramatisieren, Fragen umstellen und neue Sätze reinschreiben, die das Gesagte manchmal besser auf den Punkt bringen als das im Gespräch der Fall war. Meistens mögen das meine Partner. Grundsätzlich weiß ich, dass Interviews nicht autorisiert werden müssen. Es gibt schließlich auch Kniepinkel-Interviews, die den Befragten bloßstellen sollen. Das muss auch möglich sein.
    Ich gebe Interviewten, die schlechte Erfahrungen mit schlechten Journalisten gemacht haben, immer den Tipp: Legt ein eigenes Diktiergerät auf den Tisch. Das diszipliniert die Journalisten und die Befragten und macht – wenn es doch mal dazu kommt – die Auseinandersetzung zielführend. Ich habe durchaus schon erlebt, dass Journalisten das exakte Gegenteil von dem verstanden haben, was der Interviewte gesagt hat.

  18. Wer im Vorhinein (und sei es nur mündlich) einer Authorisierung zustimmt und sich dann nicht daran hält, hat vllt. juristisch keine Konsequenzen zu erwarten, aber sein Wort wäre wohl in Zukunft wertlos – und das ist ein Todesurteil für einen Journalisten, denn alles was er zukünftig sagt würde im Schatten dieser Lüge für den Betrachter keine verlässliche Quelle mehr darstellen.

  19. lea: Der Freitag bezieht die Aussage „Rechtlich besteht diese Möglichkeit“ bezieht sich auf den vorangegangenen Satz, eine Autorisierung bis nach Redaktionsschluss hinauszuzögern und damit faktisch zu verweigern. Danach folgt ein Semikolon zur Trennung von der dann folgenden neuen Aussage.

  20. Es ist ohnehin eine Unsitte, dass sich auch bei journalistischen Interviews der Sprachregelungswahn und das Kontrollbedürfnis ausgebreitet haben. So werden die Gespräche im Nachgang in eine aseptische Buchstaben-Brühe verwandelt. Dann könnte man direkt ein reines E-Mail-Interview machen – ist genauso beknackt. Das lehne ich grundsätzlich ab. Wer das verlangt, mit dem mache ich kein Interview. Zudem bevorzuge ich Interviews via Livestreaming mit Aufzeichnung via Youtube. Es gilt das gesprochene Wort. Punkt.

  21. „Dieser Glaube ist im Journalismus weit verbreitet. Aber er ist falsch. Man darf Interviews drucken, die nicht autorisiert wurden. Es drohen dann keinerlei Kosten.“
    Finde ich schon etwas naiv (und auch schlichtweg falsch). Im zitierten Freitag-Statement wird ja explizit gesagt, dass unautorisierte Zitate abgedruckt werden dürfen („Rechtlich besteht diese Möglichkeit“).
    Zu möglichen Kosten: Einerseits hat man vor Gericht erst einmal Anwaltskosten die man vorstrecken muss. Und selbst wenn man „objektiv“ im Recht ist besteht die Gefahr zu verlieren und dann auf den Kosten sitzen zu bleiben.

  22. Wieso muss jemand damit rechnen dass ein Interview veröffentlicht wird wenn vorab ausdrücklich vereinbart wurde, dass das Interview vor dem Abdruck autorisiert werden muss?

  23. Lars: Auch mündliche Vereinbarungen sind ein Vertrag. Aber wenn man in einer Autorisierungsvereinbarung (ob mündlich oder schriftlich) keine Vertragsstrafe vereinbart, muss man sie auch nicht zahlen. Das ist ja gerade der Grund, warum einige Promis schriftliche Verträgen mit Vertragsstrafe vorlegen – weil sie ohne ausdrücklich vereinbarte Vertragsstrafe nichts in der Hand hätten.
    Ulrike Kaiser: Es gibt kein Problem mit dem Urheberrecht, wenn man Aussagen des Gesprächspartners in einen eigenen Text einbettet, da dabei die Zitierfreiheit greift.
    Das Problem mit dem Urheber- und Persönlichkeitsrecht stellt sich nicht, wenn ich ein Interview mit jemandem führe, der weiß, dass ich das Interview anschließend auch veröffentlichen will. Bei meinen Interviews ist das immer der Fall, da ich immer gleich dazu sage, für welche Zeitung ich arbeite und in welcher Ausgabe das voraussichtlich erscheinen soll. So kann der Interviewte nicht denken, es handele sich um ein vertrauliches Hintergrundgespräch oder um eine persönliche Unterhaltung ohne beruflichen Zweck. Wenn der Interviewte von der Veröffentlichungsabsicht weiß, dann ist, heißt es in der Broschüre zutreffend, „von einem ‚konkludenten Verhalten‘ auszugehen – von einer grundsätzlichen Einwilligung nicht nur ins Gespräch, sondern auch in dessen spätere Veröffentlichung. Einer gesonderten Autorisierung bedarf es dann nicht, wenn diese Veröffentlichung unverändert erfolgt“.

  24. Urheberrecht für das gesprochene Wort? Na das muss aber eine beeindruckende Performance sein.
    > Ist erlaubt: Nicht autorisierte Interviews drucken
    Keine Angst. Das schaffen die auch noch ab. Gleich nach der Pressefreiheit. Uuups, Thüringen…

  25. Da gbt es ja auch noch ds Urheberrecht, und demnach gilt ein Interviewpartner als Miturheber, der mitentscheiden kann über die Veröffentlichung. Wichtig sind Transparenz und Fairness auf beiden Seiten. Dafür plädiert der DJV-Leitfaden zur Interview-Autorisierung: https://www.djv.de/fileadmin/user_upload/Infos_PDFs/Flyer_Broschuren/Leitlinien_f%C3%BCr_Interview-Autorisierung.pdf.

  26. Könnte sich der Interviewte denn damit herausreden, dass er dachte, es handelte sich im ein vertrauliches (Vor-)Gespräch oder eine private Unterhaltung?

  27. Bleibt die Frage, warum man hier überhaupt eine Vereinbarung treffen soll.
    „Wir legen ihnen vor eine formulierte Fassung zwecks Autorisierung [!=Überarbeitung] vor, und wenn Ihnen die nicht gefällt, beschränken wir uns auf tatsächlich gefallene Aussagen.“ Natürlich muss man in diesem zu einem nicht einverstandenen Gesprächspartner auch sagen „ok, tut mir leid, dann gibt’s kein Interview mit mir“. Das wiederum erfordert jedoch Arsch in der Hose, und um den zu haben, bedarf es der Klärung des eigenen Selbstverständnisses. Nämlich ob man Journalist ist und diese Bezeichnung (übrigens: mal den Wortsinn kapieren!) verdient, oder ob man eben ein „höheren Gewalten“, „Wettbewerbszwängen“ und „alternativlosen Realitäten“ ausgelieferter PR-Schreiber ist, der sich selbst nicht zutraut, jemals über dieses Level hinauszuwachsen.
    Beides ist legitim, aber man muss bitte auch beides beim Namen nennen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es dem Autor hier auch eher darum ging, als um juristische Details, die ohnehin in der mir bekannten Realität Glücks- und/oder eine Frage der jeweiligen Kammer ist.
    Deshalb: Danke an den OP!

  28. Man muss sich also nur an schriftliche Verträge halten? Blödsinn. Nur mit Beweisen wird es schwerer bei mündlichen Vereinbarungen. Und wie sieht es aus mit einem Vertrag sui generis der hier vereinbart worden sein könnte und dann Schadensersatz wegen einer (Neben-) Pflichtverletzung? Nene, so einfach darf man sich die Nummer nicht machen.

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