Gefährlicher Softwaretipp – Journalismus & Recherche

Auf handelsblatt.com gibt es die Kolumne Schiebs Softwaretipp. Der jüngste der derzeit fünf Beiträge behandelt das Vermeiden Spuren beim Surfen, also die Anonymsierung: Im Netz surfen – und anonym bleiben heißt der Text vom 08.01.2009. Diesen Text halte ich für unverantwortlich, weil grob irreführend.

Vorweg: Was Jörg Schieb schreibt, ist nicht falsch. Es ist aber so verkürzt, dass meines Erachtens beim Leser ein falscher Eindruck von Sicherheit entsteht. Das ist gefährlich, weil trügerisch. Der Text beginnt mit dem Vorspann

Wer bei seinen Onlinetouren keine Spuren hinterlassen möchte, dem bieten die neuesten Browser eine virtuelle Tarnkappe. Gerüstet mit entsprechenden Pugins, kann niemand mehr nachvollziehen, welche Seiten der User besucht hat.

Danach werden die Browser Chrome, Internet Explorer und Firefox vorgestellt, außerdem für letzteren das Addon Stealther.
Tatsächlich behandelt der Text nur die so genannte „Anfangs-Anonymisierung“, d.h. das Vermeiden von Spuren auf dem Rechner, von dem aus gesurft wird – was ja nicht unbedingt der eigene Rechner sein muss. Andere Nutzer sollen nicht mitkriegen, wohin man gesurft hat. Bezeichnenderweise heisst diese Form der Anonymisierung im Szenejargon auch Pornomodus. Schieb umschreibt das etwas dezenter: Dieser Privatmodus war zum Beispiel ideal für die Vor-Weihnachtszeit, denn so konnte niemand herausfinden, auf welchen Webseiten ich möglicherweise etwas eingekauft hatte.
Falsch an diesem Satz ist bereits, dass der Administrator eines Rechners (etwa in einem Firmennetz) durchaus noch nachvollziehen kann, wohin gesurft wurde – dazu reicht ein voreingestellter Proxy. Auch die Gefahren von Malware, z.B. eines Keystroke-Loggers, bleiben unerwähnt. Stillschweigend geht Schieb davon aus, dass seine Leser ihre Computer selbst administrieren und dabei auf maximale Sicherheit achten. Oder aber, dass seine Leser und diejenigen, die ihnen vielleicht über die Schulter gucken wollen, auf ähnlich geringem Kenntnisstand sind. Umfassend abgehandelt wird die Anfangs-Anonymisierung nicht: So lange man sich in Internet-Cafes nicht registrieren muss, kann man dort gut unbeobachtet surfen. Eben, so lange entstehende Spuren nicht personalisiert werden können.

Und auch das Privacy-Dongle des FoeBuD kann man dafür empfehlen. Dieser USB-Stick bietet zudem die Möglichkeit, heruntergeladene Dateien gar nicht erst auf der Festplatte des genutzten lokalen Rechners zu speichern, sondern gleich auf dem Stick.

Merkwürdig auch, dass ausgerechnet die Firefox-Erweiterung Stealther empfohlen wird. Die ersten drei der derzeit 102 Reviews beginnen eindeutig: Doesn’t work at all. ; Well the idea is perfect, but the solution is not … ; Very disappointed about this release of Stealther because
Gefährlich verkürzend ist ebenfalls, dass das Problem der End-Anonymisierung unerwähnt bleibt. Die Spuren also, die beim Betreiber angesurfter Seiten (und bei Servern eingeblendeter Werbung) oder gar beim Hersteller des Browsers gesammelt werden. Wie viele Daten das sind, kann man sich etwa bei leader.ru anschauen (die Seite taugt auch, um Anonymisierungen zu testen).
Datenspuren vermeiden ist nicht trivial. Für eine Kolumne von weniger als 3.000 Zeichen ist das Thema schlicht ungeeignet.