Doppelseite aus Journalistenleben
Immer wieder wird Hanns Joachim Friedrichs mit dem schönen und richtigen Satz zitiert, ein guter Journalist sei einer, der sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten. Das hat er gesagt, das hat er vertreten und sicherlich steht Friedrichs auch für diese Haltung, ABER er ist nicht der Urheber dieser Einstellung, sondern hat das lediglich in „fast“ fünf Jahren bei der BBC dort aufgesogen, namentlich von seinem „väterlichen Freund“ Charles Wheeler. Friedrichs schreibt über ihn, er sei damals Leiter der Nachrichtenabteilung des englischen Dienstes gewesen. Wörtlich heißt es dann weiter:

Zu seinen Maximen gehörte die Erkenntnis, daß ein seröser Journalist „Distanz zum Gegenstand seiner Betrachtung“ hält; daß er sich „nicht gemein“ macht mit einer Sache, „auch nicht mit einer guten Sache“, daß er nicht in lauten Jubel einstimmt oder in öffentlicher Betroffenheit versinkt; und daß er auch im Umgang mit Katastrophen „cool“ bleibt, ohne „kalt“ zu wirken. „Immer dabeisein – nie dazugehören“, dieses Journalisten-Motto beschreibt den Reporter Charles Wheeler wohl am treffendsten.

(Quelle: Hanns Joachim Friedrichs, Journalistenleben, Taschenbuchausgabe Mai 1996, München, S. 66-67)
Zum Vergleich dazu aus dem letzten Interview von Friedrichs am Tag vor seinem Tod:

Das hab‘ ich in meinen fünf Jahren bei der BBC in London gelernt: Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein. Nur so schaffst du es, daß die Zuschauer dir vertrauen, dich zu einem Familienmitglied machen, dich jeden Abend einschalten und dir zuhören.

(Quelle: Website des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises)

4 Comments

  1. Ich kenne den Biberfilm nicht. Aber entweder das ist ironisch gemeint, nach dem Motto:
    „Selbst der letzte Biberfilm ist noch konstruktiver als der 100.te Mörder-Kochshow-Kreuzfahrtschinken, den das ZDF sonst so sendet.“
    Oder das ist erst gemeint. Dann wären aber auch FKK-Dokumentationen zu rechtfertigen als Beiträge zur Wiederentdeckung der Schönheit und Freiheit des menschlichen Körpers in einer Welt der vom Dauersitzen somatisch deformierten Wissensarbeiter. Daher ist mir nicht ganz klar, für was hier argumentiert werden soll.
    Schafft hier HaJo Friedrichsen mit dem Biber als kreativen Baumeister, das Hoffnungsbild des journalistischen Freischaffenden, der selbstbestimmt publizistische Dämme gegen ein Meer von Desinformation und wider die Jubelmeldungen der turbokapitalistischen Industrie errichtet. Ist er gar ein natürlicher Widersacher der Ausbeuter der Allmende der Naturkräfte, namentlich E.ON, RWE und Vattenfall, denen er wutbürgergleich die Zähne zeigt.
    Oder ist der Biber im Grunde ein fieser Schädling der wissentlich und vielleicht sogar gebührenfinanziert vor der Folie eines romantisierten Naturbildes und unter Ausnutzung des pelzigen Kindchenschemas zum eskapistischen Traumbild des Deutschen hochstilisiert wird, der in seiner ewigen Venedigsehnsucht lieber zum 10. Mal Brot und Tulpen im ZDF wiederholt sieht, als einmal die vom Inflationsängsten aufeinander gepressten Zähne auseinander zu kriegen und der Bedienung in seiner Pommesbude an der Ecke ein paar unnötig nette Wort zu sagen? ich weiß es nicht.
    Insgesamt gilt natürlich, dass dem Journalismus per se, in unserer westlich aufgeklärten Form immer schon ein Bias zur Systemstützung inhärent ist, z.B. dass er sich gegen Fanatismus, Unterdrückung von Meinungsvielfalt, Faktendeformierung und -vertuschung verwehren muss, will er als Subsystem nicht untergehen, (was man z.B. in Italien gut beobachten kann). Diese Grundausrichtung ist es, die wir manchmal „Objektivität“ nennen.
    Objektivität kommt dem Journalisten beim Handwerklichen zu. Sind die Quellen gegengecheckt? Sind die Zahlen korrekt? etc. Ob dann daraus „3 Millionen Arbeitslose“ „nur 3 Millionen Arbeitslose“, oder „3 Millionen Chancenlose“ werden, ist für den Journalisten und sein individuelles oder institutionelles Interpretationssystem selber nur noch schwer hinterfragbar.
    Die „Objektivität“ kommt aber auch nicht dadurch zustande, dass der Journalist abgehoben von gesellschaftlichen Stoßrichtungen und Meinungssystemen die „Fakten“ präsentiert, sondern, dass im Widerstreit der gesellschaftlichen Strömungen, die sich in ihren jeweiligen Leitmedien widerspiegelt, die Meinungsbildung sich ausprägt. Insofern ist jedes Medium Tendenzmedium und es empfiehlt sich die taz UND die FAZ zu lesen, will man nicht in seiner eigenen Meinungssoße laubaden.
    Aus vielen meinungsgefärbten Ansichten einer Sache erarbeitet sich der interessierte Leser/Mediennutzer dann mühsam seine Ansicht der Dinge. Diese Arbeit kann ihm kein Journalist durch irgendwelche „Objektivierungen“ abnehmen.

  2. Und bis heute wird von irregeleiteten „Objektiviitäts“-Fetischisten, die sich auf den Spruch berufen, ignoriert, dass Friedrichs überhaupt keinen Widerspruch darin gesehen hat, sich über den Journalismus politisch zu engagieren. Selbstverständlich nicht parteipolitisch, aber dennoch. Wie man im selben Interview lesen kann, was aber wohl seit 15 Jahren niemand mehr gemacht hat:
    „SPIEGEL: Trotzdem haben Sie Ihren Moderatoren-Job – in einem überparteilichen Sinne – politisch verstanden. Sogar Ihre Naturfilme „Wunderbare Welt“ bezeichnen Sie als Beiträge zur politischen Bildung der Menschen in diesem Lande. Ist das nicht ein bißchen überzogen?
    Friedrichs: Als ich damit anfing, sagten die Kollegen da draußen in Lokstedt: Was, du machst jetzt Tierfilme? Wir haben jetzt die ersten vier Folgen wiederholt, weil ich in dieser Lage keine neuen machen kann. Die hatten genauso hohe Einschaltquoten wie beim erstenmal.
    SPIEGEL: Was ist daran politisch?
    Friedrichs: Die Sendung hat eine grüne Botschaft: Wenn der Mensch sich weiter so bemüht, dann kriegt er das auch noch kaputt. Zum Beispiel der letzte Film, der über Biber. Das war kein reiner Tierfilm. Der Biber ist der Architekt unter den Tieren. Der plant, der baut und sorgt dafür, daß er über den Winter kommt. Das wird gezeigt, ganz klein, ganz genau. Ein wunderbarer Film. Nicht diese Elefanten und Löwen und Tiger sind die Stars, sondern so ein kleines Puscheltierchen, der Biber.“
    Alles: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9176410.html

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