Monat: April 2010

  • Journalismus & Recherche » Blog Archive » Warum wart Ihr nicht im Netz, Korrespondenten?

    Es ist grausig, wenn man erst einmal anfängt, sich mit Fakten Nachrichten zu beschäftigen. Wie schon dargestellt, habe ich vergangenen Mittwoch zwei Fehler im ARD-Bericht zum Flugzeugabsturz in Nepal gefunden. Gut für die ARD: Sie kann sich auf Agenturen berufen und die anderen „Qualitätsmedien“ wussten es auch nicht besser. Am Freitag Abend, 3 ganze Arbeitstage nach dem Absturz, war noch nicht einmal die Frage geklärt, wie weit der Absturzort von der nepalesischen Hauptstadt entfernt ist und in welcher Richtung beide Orte zueinander liegen.

    Hier eine Auswahl der Antworten auf die Frage, wo der Absturzort Lukla von Kathmandu aus liegt:

    … 300 km östlich (AP, ARD, 2 weitere Treffer) (185 Meilen) … 250 km east (nepalnews.com, CNN) (155 Meilen) … 140 km east (xinhuanet.com) … 140 km northeast (AFP) (90 Meilen) … 125 km nordöstlich (Reuters) (80 Meilen) … 150 km nordöstlich (ZDF, Spiegel, Deutsche Welle, Tagesschau, Zeit, Süddeutsche, taz, 35 weitere)

    … 150 km östlich (Zoomer mit AFP/DPA)

    Richtig ist 140 Kilometer östlich, wenn man auf 10-km-genau rundet. Dass Lukla östlich von Kathmandu liegt, ist nicht zu bestreiten. Per Software wurde der Kurs von Kathmandu Airport nach Lukla Airport mit 90,2 Grad ermittelt. (90 Grad entsprechen genau Ostkurs.) Nordöstlich ist somit um 45 Grad daneben.

    Bei ARD, Nepalnews und CNN hätte ein Lineal und der Blick in den Atlas genügt, um festzustellen, dass man grob daneben liegt: 300 km östlich von kathmandu liegt Sikkim (Indien). Alle anderen liegen aber immer noch so deutlich daneben, dass es einfach peinlich ist.

    Da ich in der Woche des Unglücks eine Internetrechercheseminar für eine Nachrichtenredaktion zu geben hatte, habe ich anhand des Beispiels mal zusammen gestellt, was man zu dieser Meldung hätte im Internet finden können. In meiner Präsentation (PDF, 2 MB) finden sich zu dieser Frage Fotos aus meinem Atlas, eine Entfernungsmessung mit Hilfe des Lineals bei google earth sowie das Ergebnis einer Piloten-Software. Schnell zu finden sind auch eine Fülle guter Quellen zu Flughäfen, Airlines, Flugplan, Wetter und früheren Unglücken. Und das alles mit einem Aufwand, den ich von einem öffentlich rechtlichen Korrespondenten erwarte.

    Etwas aufwändiger ist schon das Zusammenstellen weiterer Quellen, zumal dabei auch ein paar typische Probleme der Internet-Recherche auftauchen – das zeige ich in Teil 2 meiner Präsentation (PDF, 2MB). Dass sich die Mühe lohnt, zeigt der Bericht des Sterns einen Tag nach dem Unglück: Die verunglückte Maschine hatte zuvor bereits zwei Unfälle – die staatlichen Berichte zu beiden finden sich im Netz. Samt Fotos.

    (Ich hoffe, mit dieser Erläuterungen ist die Präsentation zu verstehen.)

    Tags: Geografie, Kathmandu, Landkarte, Nepal

  • Journalismus & Recherche » Blog Archive » Milliardär will investigativen Journalismus fördern – und davon profitieren

    Der Pragmatismus der US-Amerikaner ist sprichtwörtlich, dennoch kann mich manche Erscheinungsform davon noch überraschen. Mark Cuban, der mit Broadcast.com, einem Dienst zur Videoübertragung über das Internet, reich geworden ist, hat angekündigt, die Website sharesleuth.com zu finanzieren. Die Site ist die Idee von Chris Carey, einem ehemaligen Reporter des St. Louis Post-Dispatch. „Sie wird eine Art Nachrichen-Weblog sein und soll Wertpapierbetrug und rechtswidriges Handeln in Unternehmen aufdecken“, wird Carey bei Cnet zitiert. „Wir werden fragwürdige Unternehmen beim Namen nennen und interessante, intensiv recherchierte Geschichten über die Menschen dahinter veröffentlichen“, so Carey weiter.

    Dieses Vorhaben will nun also Mark Cuban unterstützen, in den USA als „Maverick“ berühmt, als eigensinniger Außenseiter. Eine gute Nachricht für den investigativen Journalismus, wie manche finden, denn der ist auch in den USA ziemlich auf den Hund gekommen.

    Doch die Geschichte hat noch eine andere Seite. Womit wir beim Pragmatismus wären. Cuban will die Infos, die sharesleuth.com ausgräbt, gern als erster auf dem Tisch haben, um auf ihrer Basis Kaufentscheidungen zu treffen. Problematisch? „Wie unterscheidet sich das von den Kommentatoren bei CNBC, Fox News, Bloomberg und so weiter, die Aktien kaufen oder verkaufen, um dann auf den Sender zu gehen und darüber zu diskutieren, warum sie diese Entscheidungen getroffen haben?“, kommentierte Cuban seine Pläne in einer e-Mail an Cnet. Und, so Cuban weiter: „Ist der schlaue Anleger nicht der, der erst recherchiert und dann über Kauf oder Verkauf entscheidet? Wir werden das gleiche tun, nur veröffentlichen wir, was wir herausgefunden haben.“

    Da machen sich Finanzpublikationen viele Gedanken darüber, wie sie Interessenkonflikte vermeiden können und erlassen Richtlinien dazu, welche Aktien ihre Redakteure besitzen dürfen und welche nicht, und dann wirft das Internet das alles über den Haufen, weil nun jeder publizieren kann. Und man kann sich darauf verlassen, dass Investoren demnächst häufiger bei sharesleuth.com vorbeischauen werden. Sehr spannend, das alles.

    Tags: USA