Monat: Dezember 2009

  • Journalismus & Recherche » Blog Archive » Millionenspendenjournalismus

    In England nimmt jetzt ein durch eine Großspende über 2 Millionen Pfund finanziertes Journalistenbüro die Arbeit auf, berichtete die SZ am Freitag auf ihrer Medienseite (leider nicht online). Die Potter Foundation des Londoner Philantrophen-Ehepaars Elaine und David Potter habe das Geld lockergemacht, um die Einrichtung des Bureau of Investigative Journalism zu finanzieren, das Reporter bei Recherchen finanziell und ideell unterstützen soll.

    „Das Ziel dieses Projekts ist es, investigativen Journalismus zu ermöglichen, der den höchsten ethischen Kriterien entspricht“, sagt Elaine Potter, die früher als Journalistin bei der Sunday Times arbeitete. Das gemeinnützige Bureau wird von den Leitern des Centre for Investigative Journalism an der Londoner City University betreut werden und kann auf die Mitarbeit prominenter Schreiber zählen. Unter anderem haben Nick Davies und der amerikanische Veteran Seymour Hersh ihre Hilfe zugesagt. „Das Bureau kann eine Vorbildfunktion für eine neue Art von Journalismus einnehmen“, glaubt Hersh. Der Internetkonzern Google will die Einrichtung mit Software und Trainingskursen unterstützen. In den kommenden Monaten sollen die ersten zwei Journalisten als Vollzeitkräfte eingestellt werden.

    Vorbild dürfte das US-amerikanische Pendant Pro-Publica sein, ebenfalls aus Stiftungsmitteln und Spenden finanziert.

    Mehrdeutig überschreibt die SZ den Bericht übrigens mit „Vorbildfunktion“: Vielleicht finden sich ja auch in Deutschland Nachahmer, die ein paar Millionen übrig haben?

    Tags: Bureau of Investigative Journalism, David Potter, Elaine Potter, England, Finanzierung, Großbritannien, Journalismus, London, Nick Davies, Potter Foundation, Spendenmodell

  • Journalismus & Recherche » Blog Archive » Bundesdatenschutzgesetz als Instrument bei der Recherche

    Jedermann darf von einem Unternehmen Auskunft darüber verlangen, welche Daten dort über ihn gespeichert sind – so ist es in § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes festgelegt. Dieses Jedermann-Auskunftsrecht kann auch bei journalistischen Recherchen helfen. Im September war ich kurz vor der Anti-Überwachungs-Demonstration „Freiheit statt Angst“ die Demoroute abgelaufen, hatte nach sichtbaren Überwachungskameras gesucht und 116 Stück gezählt. Im Lokalteil Berlin der taz druckten wir dann eine Karte mit den Kamerastandpunkten, diese haben wir auch in einer Karte auf Google Maps eingetragen und die Fotos von allen Kameras auf Panoramio (siehe auch früherer Beitrag auf recherche-info.de).

    Drei der Kameras zeigten wir mit halbspaltigem Foto in der taz und wollten wissen: Welchen Zweck hat die Kameraüberwachung? Wer sieht die Aufnahmen? Werden die auch gespeichert – und wie lange? Bei einer Verkehrsüberwachungskamera am Potsdamer Platz und den Kameras vor dem Auswärtigen Amt war es kein Problem, diese Informationen zu erhalten. Anders bei der Deutschen Bank, die das Museum Deutsche Guggenheim (Unter den Linden 13/15) mitbetreibt und dort die Hausfassade und den Bürgersteig filmt (siehe Foto von der Kamera rechts). Die Pressesprecherin des Museums verwies mich an einen Sicherheitsbeauftragten, der reichte mich an einen Banksprecher weiter und der teilte mir mit, dazu könne er aus Sicherheitsgründen keine Angaben machen.

    Am 14. September wandte ich mich also per Post an den Datenschutzbeauftragten der Deutschen Bank (jedes Unternehmen, das personenbezogene Daten automatisiert verarbeitet, muss gemäß § 4f des Bundesdatenschutzgesetzes einen solchen Beauftragten benennen) und verwies dabei ausdrücklich auf die Auskunftspflicht gemäß Bundesdatenschutz hin. Die Anfrage wurde intern offenbar an die Presseabteilung weitergeleitet, die sich nun wieder bei mir meldete – mit der Information, die Daten seien inzwischen gelöscht worden. Nach mehreren Nachfragen kam dann am 9. November (knapp zwei Monate nach Beginn des Schriftwechsels) die Antwort: Die Aufzeichnung wurde eine Woche lang gespeichert.

    Im Lokalteil Berlin haben wir darüber in der Samstagsausgabe eine Seite 3 gemacht: Wie werden wir in der Öffentlichkeit, in Geschäften und Arztpraxen mit Kameras überwacht? Unter welchen Voraussetzungen ist Kameraüberwachung erlaubt? Was kann der Landesdatenschutzbeauftragte unternehmen, wenn zu Unrecht gefilmt wird? Und welche Hinweis- und Auskunftspflichten haben Kamerabetreiber? In einem Kasten haben wir dann die Erfahrungen mit der Deutschen Bank als Beispiel dafür genannt, wie Unternehmen ihre Auskunftspflichten zu ignorieren versuchen. Der Text steht auch hier online.

    Hier nun der Schriftwechsel mit der Deutschen Bank. Die Namen der Bankmitarbeiter habe ich anonymisiert. Meine Mailadresse habe ich zum Schutz vor Spam verändert.

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    Deutsche Bank AG Datenschutzbeauftragter gemäß § 4f BDSG Theodor-Heuss-Allee 70

    60262 Frankfurt am Main

    Berlin, den 14. September 2009

    Auskunft über die Speicherung personenbezogener Daten

    Sehr geehrter Datenschutzbeauftragter, sehr geehrte Datenschutzbeauftragte!

    Hiermit bitte ich gemäß § 34 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) um Auskunft, wie lange die Aufnahmen gespeichert werden, die eine Überwachungskamera der Deutschen Bank vor dem Deutsche Guggenheim, Unter den Linden 13/15 in Berlin am Donnerstag, den 10. September 2009, um 14:46 Uhr von mir angefertigt hat.

    Ich arbeite als Journaliste für die Tageszeitung „die tageszeitung“. Für unserer Ausgabe vom 12. September 2009 planten wir, über die Demonstration „Freiheit statt Angst“ zu berichten, die sich gegen den Überwachung wendet (siehe Anlage). Um das Thema journalistisch aufzubereiten, wollten wir den Umfang der Überwachung durch Kameras im öffentlichen Raum dokumentieren. Am 10. September 2009 ging ich daher vorab die Route der Demonstration ab und dokumentierte, an welchen Orten sich sichtbare Überwachungskameras befinden.

    An drei Beispielen wollten wir darstellen, welchen Zweck diese Überwachung hat und was mit den Aufnahmen geschieht. Diese Beispiele waren eine Verkehrsüberwachungskamera am Potsdamer Platz, die Kamera vor dem Deutsche Guggenheim und eine der Kameras vor dem Auswärtigen Amt. Auf meine Anfragen erläuterten die Senatsverwaltung für Verkehr sowie das Auswärtige Amt, dass die Aufnahmen nicht gespeichert werden. Von der Deutschen Bank erhielt ich dagegen auf meine Anfrage keine Auskunft. *** ***, die für die Pressearbeit der Deutsche Guggenheim zuständig ist, verwies mich an *** ***, der für die Sicherheit zuständig ist, dieser verwies mich an einen Sprecher der Deutschen Bank, der mir mitteilte, zu sicherheitstechnischen Fragen könne er generell keine Angaben machen.

    Ich beantrage daher nun auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes Auskunft darüber, ob und wie lange die Aufnahmen gespeichert werden. Zu dem anfangs genannten Zeitpunkt habe ich mich vor der Fassade des Hauses aufgehalten. Während ich die Kamera fotografierte, bin ich auch selbst in deren Blickfeld geraten. Bei der Aufnahme mit Hilfe einer Überwachungskamera handelt es sich um eine Erhebung personenbezogener Daten im öffentlichen Raum (§ 3 Absatz 3 BDSG). Lediglich die beiläufige zufällige Wahrnehmung wäre keine Erhebung (Weichert in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert, Bundesdatenschutzgesetz, 2. Aufl. 2007, § 3 Rz. 23). Hier erfolgt jedoch eine gezielte Aufnahme eine bestimmten Ortes zu dem Zweck, die Personen aufzunehmen, die sich dem Gebäude nähern. Es handelt sich um personenbezogene Daten über Betroffene, da festgestellt wird, dass die Personen mit einem spezifischen äußeren Erscheinungsbild sich an diesem Ort befunden hat. Gemäß § 34 BDSG haben Sie daher die gewünschte Auskunft zu erteilen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Sebastian Heiser

    Anlage

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    Von: ***.***@db.com Datum: 1. Oktober 2009 17:42 Betreff: Ihre Anfrage vom 14. September 2009

    An: sebastian-heiser@taz.de

    Sehr geehrter Herr Heiser,

    vielen Dank für Ihre Anfrage vom 14. September 2009 bezüglich der Speicherung personenbezogener Daten.

    Bei der Kameraüberwachung für das Gebäude Unter den Linden 13/15 in Berlin handelt es sich um eine Beobachtung eines öffentlich zugänglichen Raumes mit Hilfe optisch-elektronischer Einrichtungen gemäß § 6b BDSG. Die kameragestützte Überwachung ist im Hinblick auf die Sicherheitslage und die Exponiertheit des Gebäudes zur Wahrnehmung des Hausrechts und Beweissicherung im Falle von Beschädigungen und anderen Straftaten notwendig.

    Die Aufzeichnung erfolgt in Zeitscheiben, die revolvierend überschrieben werden. Die Kameraüberwachung wird für keinen anderen Zweck genutzt.

    Da wir folglich aus der Kameraüberwachung keine personenbezogenen Daten über Sie erhoben haben, können wir Ihre Anfrage dahingehend beantworten, dass die Deutsche Bank AG aus der Kameraüberwachung keine Daten zu Ihrer Person gespeichert hat.

    Mit freundlichen Grüßen

    *** *** Deutsche Bank AG Presseabteilung Theodor-Heuss-Allee 70

    60486 Frankfurt am Main

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    Von: Sebastian Heiser Datum: 1. Oktober 2009 17:48 Betreff: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009

    An: ***.***@db.com

    Sehr geehrter Herr ***,

    vielen Dank für Ihre Antwort. Nach welchem Zeitraum werden die Aufzeichnungen denn überschrieben? Wie lange wurde die Aufzeichnung

    von meinem Bild gespeichert?

    Mit freundlichen Grüßen
    Sebastian Heiser

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    Von: Sebastian Heiser Datum: 29. Oktober 2009 09:20 Betreff: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009

    An: ***.***@db.com

    Sehr geehrter Herr ***,

    wie ist denn der aktuelle Stand der Dinge bei der Bearbeitung meiner
    Nachfrage von vor vier Wochen?

    Mit freundlichen Grüßen
    Sebastian Heiser

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    Von: Sebastian Heiser Datum: 3. November 2009 13:06 Betreff: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009

    An: ***.***@db.com

    Sehr geehrter Herr ***,

    ist meine Nachfrage von vor fünf Tagen bei Ihnen angekommen?

    Mit freundlichen Grüßen
    Sebastian Heiser

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    Von: ***.***@db.com Datum: 4. November 2009 11:30 Betreff: Antwort: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009

    An: sebastian-heiser@taz.de

    Sehr geehrter Herr Heiser,

    Entschuldigung, dass wir Ihnen noch nicht geantwortet haben. Ihre Nachfragen vom 1. und 29. Oktober sind eingegangen. Leider gab es eine Verzögerung auf unserer Seite. Sie werden aber spätestens am kommenden Montag von mir eine Antwort erhalten.

    Mit freundlichen Grüßen

    *** *** Presseabteilung

    Deutsche Bank AG

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    Von: ***.***@db.com Datum: 9. November 2009 19:00 Betreff: Antwort: Re: Ihre Anfrage vom 14. September 2009

    An: sebastian-heiser@taz.de

    Sehr geehrter Herr Heiser,

    Entschuldigen Sie bitte die späte Beantwortung Ihrer Nachfrage.
    Aufzeichnungen werden innerhalb von einer Woche gelöscht/überschrieben. Wie Ihnen in unserem Schreiben vom 1. Oktober 2009 bereits mitgeteilt, haben wir aus der Kameraüberwachung keine personenbezogenen Daten zu Ihrer Person gespeichert. Insofern können wir zu einer etwaigen Aufnahme Ihrer Person auch keine Aussage treffen. Im Hinblick auf das von Ihnen genannte Datum 10.9.2009, 14:46 Uhr können wir bestätigen, daß die Kameraufzeichnung dieses Tages innerhalb der o.g. Zeitspanne gelöscht wurde.

    Mit freundlichen Grüßen

    *** *** Presseabteilung

    Deutsche Bank AG

    Tags: Auskunftsrechte

  • Journalismus & Recherche » Blog Archive » Googles OR-Operator kaputt?

    Habe ich was verpasst? Warum funktioniert Googles boolscher Operator OR nicht mehr, oder zumindest im Moment nicht?

    Wenn ich nach „albrecht ude“ suche, bekomme ich 1.730 Treffer, suche ich nach „albrecht ude“ OR „ude albrecht“, bekomme ich 1.820 Treffer – so weit, so gut.

    Suche ich aber nach iRights.info, gibt’s 31.700 Treffer, bei irights.info OR irights.de aber nur 30.200. Das hat nichts mit der Unschärfe bei hohen Trefferzahlen zu tun, man kann das auch reproduzieren mit z.B.  „hermann spielkamp“ (170 Treffer) und „hermann spielkamp“OR „spielkamp hermann“ (107 Treffer).

    Die URLs sehen auch nicht gerade so aus, als würden die Suchanfrage „richtig übersetzt“: http://www.google.de/search?hl=de&q=“hermann+spielkamp“OR+“spielkamp+hermann“. Was machen die Plus-Zeichen an den Stellen, an denen sie nichts zu suchen haben?

    Es ändert sich auch nichts, wenn man es über die erweiterte Suche probiert, oder auch advanced search in der .com-Version, wo das Menue ja überarbeitet worden ist, um genau diese ODER-Funktion etwas einfacher verständlich zu machen.

    Sehr seltsam. Hat jemand etwas darüber gehört, dass/warum da geschraubt wird?

    Tags: Boolsche Operatoren, Google, OR