Seit einem halben Jahr ist das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) nun in Kraft, aber die Behörden sind von der neuen Transparenz offenbar noch weit entfernt: Bis Mai gingen bei den Bundesministerien rund 350 Anträge ein. Gleichzeitig berichtet der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, der in Personalunion IFG-Obmann ist, dass er bereits 120 schriftliche Beschwerden von Antragstellern erhalten habe. Die größten Probleme gibt es laut Schaar, weil die Ämter Auskünfte und Kopien unter Berufung auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen verweigern. Auch das Argument, Unterlagen dürften nicht freigegeben werden, weil mit Dritten Vertraulichkeit vereinbart worden sei, wird häufig als Ablehnungsgrund angeführt. Während der Bundesinformationsfreiheitsbeauftragte weniger Beschwerden zu überzogenen Gebühren erhalten hat, als sich zu Jahresanfang abzeichnete, spielt vermehrt eine Rolle, dass die Behörden die Antwortfrist verstreichen lassen und gar nicht auf IFG-Anträge reagieren.

Schaar stellte diese ersten Erfahrungen vor, als sich am 31. Mai in Berlin die „Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit“ gegründet hat. Der neue Verein will den Gedanken der Informationsfreiheit in Deutschland verbreiten, indem er wissenschaftliche Tagungen organisiert, den Meinungsaustausch zur IFG-Praxis fördert und die Weiterbildung unterstützt. Der Dialog mit Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft soll durch die Vereinsaktivitäten vorangebracht werden. Dazu gehört sicherlich auch, die Praxiserfahrungen mit dem IFG zu nutzen, um Verbesserungen durchzusetzen, wenn die Gesetzesevaluierung ansteht. Die Gründungsmitglieder des neuen Vereins kommen zum einen aus dem parlamentarischen Raum und haben als IFG-Befürworter in den Fraktionen von Grünen und SPD am Gesetzgebungsverfahren mitgewirkt, zum anderen von Verbänden wie Netzwerk Recherche, Transparency International und DJV. Zum Vorsitzenden wurde Dr. Sven Berger gewählt, Mitarbeiter der SPD-Fraktion und in der vorigen Legislaturperiode als Referatsleiter im Bundesinnenministerium an den IFG-Beratungen eng beteiligt. Stellvertretende Vorsitzende ist Caroline Welzel, die bei der Bertelsmann Stiftung ein Projekt zum IFG betreut hat.
Angeregt durch das Bundes-IFG haben in den letzten Monaten drei weitere Bundesländer eigene Landesgesetze verabschiedet: Zum 1. Juli gilt das Prinzip der Verwaltungstransparenz auch in Mecklenburg-Vorpommern und zum 1. August treten die Bestimmungen in Hamburg und Bremen in Kraft. Beide Stadtstaaten haben sich dabei leider am restriktiven Charakter des Bundesgesetzes orientiert. Während Bremen dies nahezu wortgleich übernimmt, hat Hamburg die restriktive Tendenz in manchen Punkten sogar noch verschärft. In Hamburg hat die CDU-Mehrheit der Bürgerschaft weitergehende Gesetzentwürfe von Grünen und SPD verworfen und stattdessen ein eigenes Gesetz verabschiedet, das im Gegensatz zur Bundesregelung pauschal alle laufenden Verfahren ausklammert. Außerdem fallen privatwirtschaftlichen Unternehmen mit öffentlicher Aufgabe nicht unter das Hamburger IFG, wenn sie im Wettbewerb stehen. Damit nimmt das Hamburger Gesetz deutlich mehr private Träger aus als auf Bundesebene, was besonders bedenklich ist angesichts des Trends, dass immer mehr öffentliche Aufgaben in den privaten Bereich verlagert werden. Als „Hamburger Sonderweg“ muss auch die Regelung gelten, dass nur Bürger der EU antragsberechtigt sind, während normalerweise das Prinzip der Informationsfreiheit jedem offensteht, ohne irgendwelche Beschränkungen nach Nationalität. Zunächst hatte die CDU sogar geplant, das Antragsrecht auf die Bürger der Hansestadt zu beschränken, dann aber wohl erkannt, sich mit einer solchen Regelung komplett lächerlich zu machen. Das Hamburger IFG ist damit zwar das erste Landesgesetz aus der Feder der CDU. Allerdings lässt es für die gesetzgeberischen Aktivitäten in anderen CDU-Ländern nichts Gutes ahnen.
Die jüngste Ergänzung bei den Landesgesetzen kommt aus Mecklenburg-Vorpommern, wo der Landtag mit den Stimmen der Regierungsparteien SPD und PDS am 27. Juni ein IFG beschlossen hat. Es ist nicht ganz so bürgerunfreundlich wie die zuvor erwähnten Beispiele und regelt die Bearbeitungsfristen z.B. besser als das Bundesgesetz (Monatsfrist statt weiche „Soll-Bestimmung“ wie beim Bund). Allerdings folgt die Regelung bei den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen dem schlechten Vorbild des Bundes, denn die Freigabe wird von der Zustimmung der betroffenen Firmen abhängig gemacht. Die besseren Landesgesetze wie in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sehen hier eine Abwägung zwischen öffentlichen Interessen und den Anliegen der betroffenen Privaten vor. Nach diesem Standard könnte etwa bei der Verbreitung gesundheitsschädlicher Produkte zugunsten der Veröffentlichung von Firmennamen entschieden werden. Wenn die Unternehmen dagegen selbst entscheiden dürfen, ob sie eine für ihren Geschäftserfolg relevante Information freigeben wollen oder nicht, wird dies in der Regel zugunsten der Geheimhaltung ausgehen.
Ebenfalls ernüchternd ist die Gesetzgebungsinitiative zum Verbraucherinformationsgesetz (VIG), mit dem Minister Seehofer mehr Transparenz bei Herstellung und Vertrieb von Lebensmitteln schaffen will. Aufgrund der jüngsten Lebensmittelskandale war eigentlich eine schärfere Gangart des Gesetzgebers angekündigt worden, doch der Entwurf, den die Große Koalition am 11. Mai in den Bundestag eingebracht hat, zeigt deutliche Schwächen: So gibt es keinen Vorrang für das öffentliche Interesse, sondern weiterhin einen sehr starken Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, hinter dem sich betrügerisch agierende Firmen verschanzen können. Selbst wenn dies zur Gefahrenabwehr geeignet wäre, muss die Behörde die Öffentlichkeit nicht über Missstände informieren. Diese Informationspflicht greift erst bei akuter Gesundheitsgefährdung, nicht bei ekelerregenden Produkten wie Gammelfleisch, die unterhalb der Schwelle einer direkten Gesundheitsgefährdung bleiben. Ferner enthält das Gesetz keine Verpflichtung, Ergebnisse der Lebensmittelkontrolle unter Nennung von Produkt und Hersteller tagesaktuell bekannt zu machen. Weiterhin fehlt ein Auskunftsanspruch gegenüber Unternehmen, und die langen Bearbeitungsfristen machen es den Behörden leicht, eine Auskunft über Wochen und Monate zu verzögern. Netzwerk Recherche hat sich zusammen mit der dju und weiteren Organisationen einer Initiative der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch für ein fortschrittliches, bürgerfreundliches VIG angeschlossen. Bei einer Sachverständigenanhörung im Deutschen Bundestag ist bereits deutlich geworden, dass die Mehrheit der Experten die aktuelle Vorlage als Mogelpackung ablehnt und deutliche
Nachbesserungen fordert.
Zum Weiterlesen:
IFG Hamburg {PDF-Datei, 2 S., 319 KB}
IFG Bremen {PDF-Datei, 14 S., 46 KB}
IFG Mecklenburg-Vorpommern:
nach den letzten Änderungen noch keine konsolidierte Fassung online.
Informationen über die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit:
Demnächst wird eine eigene Rubrik auf den Seiten des IFG-Projekts der Bertelsmann Stiftung freigeschaltet.
Gesetzentwurf für ein Verbraucherinformationsgesetz.
Verbändebrief mit den Hauptkritikpunkten zum VIG-Gesetzentwurf {PDF-Datei, 3 S., 212 KB}.

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